Bernhard Egert, Leiter Timber Construction, UBM Development, Philipp Horak
#greenbuilding

„Wir sind der First Mover im Holzbau“

Bernhard Egert ist einer von 300 Timber Heroes in der UBM Development. Er zählt zu den gefragtesten Holzbauexperten des Landes. UBM Development hat ihn an Bord geholt, damit er im Bereich „Timber Construction“ seine breite Kompetenz einbringen kann. Wir haben den naturverbundenen Diplomingenieur zum großen Holzbau-Talk gebeten.

Die Wolken hängen tief, doch dem Charme des alten Waldhauses tut dies keinen Abbruch. Es liegt auf einer malerischen Lichtung am Trauchbach, unweit der niederösterreichischen Gemeinde Rohr im Gebirge. Zu dieser Gegend um das östliche Alpenvorland hat Bernhard Egert einen besonderen Bezug. Hier liegen seine erklärten Hausberge, die er je nach Jahreszeit entweder auf freigegebenen Mountainbikerouten oder auf Skitouren erkundet.

Hier haben wir den ausgewiesenen Holzbauexperten gefragt, was ein Developer gegen die Klimakrise ausrichten kann, und wie sich der konstruktive Holzbau in den nächsten Jahren entwickeln wird.

Waldhaus, Bernhard Egert, Leiter Timber Construction, UBM Development, Philipp Horak
Auf der Terrasse des alten Waldhauses am Trauchbach, nahe Rohr im Gebirge, trafen wir Bernhard Egert zum Gespräch.

Herr Egert, Sie kommen direkt aus dem Holzbau. Was hat Sie besonders daran gereizt, zum Immobilienentwickler UBM zu wechseln?

Bernhard Egert: In der Ausführung kann man nur das bauen, was sich andere überlegt haben. Jetzt sitze ich auf der anderen Seite, wo ich natürlich mehr bewegen kann. Ich habe den mehrgeschossigen Holzbau immer als Chance für die Branche gesehen, und nun gilt es, ihn voranzutreiben, sichtbar zu machen und letztlich auch in die Städte zu bringen. Bei der UBM gibt es für mich die Chance, im großen Maßstab etwas zu bewegen. Die UBM ist ein Pionier in diesem Bereich, und ich kann Teil der aktuellen Holzrevolution sein. 

Welche Entwicklung hat der Baustoff seit Ihren beruflichen Anfängen hingelegt?

Die Leimtechnologie hat sich enorm verbessert, und Anfang der 2000er-Jahre hat das Brettsperrholz eine Art Marktrevolution eingeläutet. Mit dem Brettschichtholz gab es schon lange die Möglichkeit, weit gespannte Gebäude zu bauen. Das Brettsperrholz machte es möglich, unkompliziert in die Höhe zu bauen. Es kommen immer neue Produkte auf den Markt, die noch höhere Tragfähigkeiten haben, wie etwa die Baubuche. Da wird sich noch einiges weiterentwickeln.

Bernhard Egert, Leiter Timber Construction, UBM Development, Philipp Horak
Forscher Blick durch die Holzbrille: Bernhard Egert bringt viel Leidenschaft für den Naturbaustoff mit.

Das Thema Holzbau und Nachhaltigkeit ist vor allem für die nächsten Generationen sehr wichtig.

Bernhard Egert, Leiter Timber Construction bei UBM Development

Wie sieht es mit der Konkurrenzfähigkeit gegenüber anderen Baustoffen aus?

Auch die hat sich in den letzten Jahren grundlegend verändert. Es gibt jetzt eine sehr starke Holzbaubranche, die Produkte industriell herstellt. Dadurch sind sie günstiger geworden und natürlich auch konkurrenzfähiger im Vergleich zu den anderen Baustoffen. Außerdem kann heute viel schneller produziert werden. 

Der Holzbau erregt mehr Aufmerksamkeit als jedes andere fachspezifische Bauthema. Warum interessieren sich so viele fürs Holz?

Der Rohstoff hat natürlich Sexappeal, sag ich jetzt einmal. Das Thema Holzbau und Nachhaltigkeit ist vor allem für die nächsten Generationen sehr wichtig und führt dazu, dass sich auch andere mehr damit beschäftigen wollen. Darum steigt auch die Breite im Know-how, und es kommt zu einem gewissen Schneeballeffekt.

Welche Entwicklung erwarten Sie in den nächsten Jahren im konstruktiven Holzbau?

Das Thema der mehrgeschossigen Holzbauten wird noch stärker kommen, vor allem im Bürobau wird der Holzbau stärker Fuß fassen können. Ganz viele Projekte sind derzeit Prototypen, und gerade die Mehrschichtigkeit der Aufbauten ist sehr lohnintensiv. Hier werden wir eine Entwicklung hin zur Standardisierung und Automatisierung sehen, die den Holzbau zu den vielen ökologischen Vorteilen, die er bringt, auch noch günstiger werden lassen wird.

Bernhard Egert, Leiter Timber Construction, UBM Development, Philipp Horak
Bernhard Egert will den mehrgeschossigen Holzbau vorantreiben und in die Städte bringen.

Hund, Bernhard Egert, Leiter Timber Construction, UBM Development, Philipp Horak
Bei Hunden sehr beliebt: das Appportierholz.

Wie schätzen Sie das Potenzial des Holzbaus in der urbanen Nachverdichtung ein?

Auch in diesem Bereich ist der Holzbau in den letzten Jahren sehr stark gewachsen. Das elementierte Bauen bringt eine reduzierte Bauzeit, weniger Baustellenverkehr und damit auch weniger Belastung für das Umfeld. Durch das geringe Eigengewicht bietet Holz die Möglichkeit, großvolumiger auf die lastabtragende Grundstruktur aufzustocken. Gerade in Wien, wo der mehrgeschossige Holzbau noch Aufholbedarf hat, ist dieses Nachverdichten von 1930er-, 1950er- oder 1960er-Jahre-Gebäuden ein sehr starker Markt.

Im Sinne der Nachhaltigkeitsziele spielt die Rückbaubarkeit von Gebäuden eine immer größere Rolle.

Der Holzbau funktioniert nach dem Baukastensystem, dem Assembling von vorgefertigten Bauteilen. Dadurch ist eine gute Rückbaubarkeit gegeben. Und wenn wir stärker in dieses elementierte, modulare Bauen kommen, wird das Demontieren noch leichter werden.

Der Beitrag, den wir als Developer leisten können, ist, Gebäude in Holz zu bauen und so den größten CO2-Verursacher in der Branche, nämlich Beton und Stahl, teilweise zu ersetzen. 

Bernhard Egert, Leiter Timber Construction bei UBM Development

Welche Rolle wird die UBM in dieser ganzen Entwicklung des Holzbaus spielen?

Eine sehr große, denn wir sind der First Mover auf diesem Gebiet. Der Kern des Strategiewechsels der UBM in Richtung „green. smart. and more.“ ist der Holzbau, und wir haben bereits rund 180.000 Quadratmeter Geschossflächen in der Projekt-Pipeline, die wir in Holz realisieren werden. Das ist natürlich eine Ansage, hinter der alle im Unternehmen voll und ganz stehen.

In der Umsetzung hat sich die UBM dem Holz-Hybrid-Bau verschrieben. Wird das so bleiben?

Unsere Aufgabe als Holzbau-Team ist es, dass wir nicht nur ein Standardsystem für jedes Projekt einsetzen, sondern für jedes Grundstück, für jede Assetklasse die optimale Lösung finden. Wir wollen natürlich schlank bleiben und in gewisse Standardaufbauten gehen, um die Variabilität zu reduzieren. Aber es ist nicht so, dass wir uns ganz strikt auf ein System festlegen. Hybride Konstruktionen nutzen die jeweilige Stärke der einzelnen Materialien und kombinieren sie zu effizienten Bauelementen mit neuen Eigenschaften. Das ist etwas, das mit einem einzelnen Werkstoff nicht zu erreichen ist.

Bernhard Egert, Leiter Timber Construction, UBM Development, Philipp Horak
Die nachhaltige Forstwirtschaft arbeitet daran, den Wald klimafit zu machen.

Welche Herausforderung stellt das nachhaltige Bauen für einen Developer dar? 

Der Unterschied zu vielen anderen Leuchtturm-Projekten, die jetzt weltweit realisiert werden, ist der, dass wir als Developer die Projekte auch wieder mit Gewinn veräußern wollen und müssen. Dazu braucht es attraktive, gut nutzbare und flexible Grundrisse, damit wir in technischen Due-Diligence-Prüfungen von Investoren eine optimale Bewertung bekommen. Dabei müssen wir den Spagat schaffen zwischen effizienter Flächenausnutzung und nachhaltigen Materialien. Wir müssen ein stimmiges Paket finden, das eine lange Lebens- und Nutzungsdauer bei gleichzeitiger Wirtschaftlichkeit garantiert.

Können wir uns mit dem Holzbau aus der Klimakrise herausbauen?

Laut einer aktuellen Studie wird es in den nächsten 50 Jahren weiterhin einen ganz starken Zuzug in die Städte geben. Wenn wir es schaffen, diese neuen Gebäude in Holz zu errichten, dann würden wir einen wesentlichen Teil der in der Errichtung anfallenden CO2-Emissionen einsparen. Der Beitrag, den wir als Developer leisten können, ist, Gebäude in Holz zu bauen und so den größten CO2-Verursacher in der Branche, nämlich Beton und Stahl, teilweise zu ersetzen.

Welche Rolle spielt die Waldwirtschaft in der Klimakrise?

Für die Branche ist klar, dass nur eine nachhaltige Forstwirtschaft sinnvoll ist, was ja in unseren Breiten auch bereits geschieht. Allerdings wurde in der Vergangenheit aus wirtschaftlichem Effizienzdenken heraus sehr viel in Richtung Monokulturen gedacht. Es wird künftig mehr Mischwald brauchen, das heißt, die Fichte wird sich mit anderen Bäumen den Wald teilen müssen. Aber es ist genug Holz da, damit wir das Ziel, nämlich mehr Holzbauten umzusetzen, auch erreichen werden. 

Die Klimaerwärmung macht es den Bäumen in unseren Breitengraden zunehmend schwerer. Überlebt das der Wald?

In der Forstwirtschaft wird sehr viel geforscht, um der zunehmenden Trockenheit, dem damit verbundenen Stress der Bäume und dem Borkenkäferbefall entgegenzuwirken. Man versucht, andere Fichtenarten hier in unseren Breiten anzusiedeln, die mit der Trockenheit besser zurechtkommen. Es wird auch eine regionale Verschiebung der Vegetation stattfinden. Die trockenen Gebiete werden etwas an Wald verlieren, dafür wird die Baumgrenze weiter nach oben wandern. 

Sägewerk, Bernhard Egert, Leiter Timber Construction, UBM Development, Philipp Horak
Laut Egert ist die Verfügbarkeit des Rohstoffes Holz mittel- und langfristig gesichert.

„Will man den Klimawandel bekämpfen, wäre es das Beste, die Wälder in Ruhe zu lassen“, fordert Förster und Autor Peter Wohlleben in seinem Buch. Wie sehen Sie das?

Wenn man den Wald jetzt außer Nutzung stellt, forciert man quasi ein langfristiges Verrotten der bestehenden Bäume. Am besten ist es, gesunde Bäume zu entnehmen und viele junge nachzusetzen, wie es in der nachhaltigen Forstwirtschaft passiert. So hält man den Kreislauf am Leben. Indem man Holz als Baustoff einsetzt, bleibt der darin gebundene Kohlenstoff über lange Zeit gespeichert.

In letzter Zeit gab es auch kritische Stimmen aus der Branche, dass der Holzbau gar nicht so nachhaltig ist, wie alle immer sagen, Stichwort CO2-Bindungslücke. Wie reagieren Sie als Experte darauf?

Ja, diese Interviews, die in großen deutschsprachigen Tageszeitungen erschienen sind, schaden der Branche und machen gerade Investoren nervös, ob sie auf das richtige Pferd setzen. Wir versuchen dem mit wissenschaftlich fundierten Studien und Veröffentlichungen entgegenzuwirken. Fakt ist, dass in der nachhaltigen Forstwirtschaft auf lange Sicht keine CO2-Bindungslücke durch die Entnahme von Bäumen entsteht. 

Fichte, Bernhard Egert, Leiter Timber Construction, UBM Development, Philipp Horak
„Die Fichte wird sich in Zukunft mit anderen Bäumen den Wald teilen müssen“, sagt Egert.

Bernhard Egert
Bernhard Egert ist 56 Jahre alt und mit seiner Erfahrung als Baumeister, Holzbaumeister, Bauträger und Gerichtssachverständiger ein Allrounder im Holzbau. Der diplomierte Ingenieur hat an der TU Wien studiert und an der WU Wien einen MBA erworben. Egert war unter anderem Geschäftsführer von Graf-Holztechnik und Rubner Holzbau, bevor er bei der UBM Development AG zum Leiter „Timber Construction“ bestellt wurde. Als Vorsitzender verschiedenster Gremien innerhalb des Fachverbandes der Holzindustrie leistet er seit vielen Jahren einen aktiven Beitrag zur Stärkung des Holzbaus.

Was ist der Hintergrund dieser Debatte?

Der Holzbau ist so beliebt geworden – das ist ähnlich wie beim Bio-Gemüse –, dass es leider gewissermaßen zu einem „Kampf der Materialien“ gekommen ist. Der Holzbau wird bei weitem nie an das Volumen der Beton- und Stahlbauten herankommen, er wird bis zu einem gewissen Grad ein Nischenprodukt bleiben. Aktuell gewinnt er ein paar Prozent an Marktanteilen dazu, das ist der Entwicklung der Zeit und der Nachhaltigkeit geschuldet. Natürlich ergibt es auch Sinn, die Zement- und die Stahlproduktion CO2-reduzierter zu gestalten, aber es besteht keine Notwendigkeit, sich gegenseitig schlechtzureden. Es ist genug Markt für alle da, und es sollte ein vernünftiges Miteinander geben.

Welchen Planeten wünschen Sie sich für Ihre Kinder?

Meine Kinder sind schon groß, aber der Ausblick für die Jugend hat sich schon etwas geändert. Früher haben wir von unseren Eltern gehört: „Wenn du dich anstrengst im Leben, wirst du es zu etwas bringen und ein besseres Leben haben.“ Dieses Bild hat irgendwann eine Delle bekommen. Infolge der wachsenden globalen Unsicherheiten sind die externen Motivatoren für die junge Generation deutlich weniger geworden. Aber gerade in einer etwas graueren Welt ergibt es Sinn, eine positive Lebenseinstellung zu haben und mit Zuversicht die neuen Herausforderungen anzunehmen. 

Wenn jeder versucht, einen Beitrag in seinem direkten Umfeld zu leisten, würde das in Summe schon einen wesentlichen Effekt bringen. Zum Beispiel muss ich kein argentinisches Rindfleisch essen, lieber beziehe ich regelmäßig bestes Hochlandrind hier aus Rohr im Gebirge.

Interview: Gertraud Gerst
Fotos: Philipp Horak

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