Lass das Kind raus!
Wer wieder einmal ungestört auf einem Spielplatz herumtollen möchte – im Baumhaus Cassiopeia geht das ganz formidabel! Aber auch mehr oder weniger erwachsene Sterngucker werden hier glücklich.
Das Sternbild Cassiopeia wurde von den Astronomen der griechischen Antike zur Erinnerung an die sagenhafte Königin Cassiopeia geschaffen. Sie war die eitle und schöne Frau des Königs Cepheus. Ihr einziges Kind war die schöne Andromeda. Cassiopeia prahlte, sie und ihre Tochter seien schöner als jede der Töchter des Titanen Nereus, die damals als der Inbegriff von Schönheit und Liebreiz galten. Durch diese Behauptung zog Cassiopeia sich den Zorn der Nereiden zu.
Helden, die retten, heiraten auch
Am Ende der griechischen Sagengeschichte muss Andromeda fast sterben, wird aber vom Helden Perseus gerettet, den sie dann natürlich heiratet. Am Ende landeten alle Beteiligten als Sternenbilder am Sternenhimmel.
Und wer eben diesen mythologischen Figuren einen Zacken näher sein möchte, der ist im Baumhaus, das die auf Holz spezialisierten Architekten von Madeiguincho soeben fertiggestellt haben, goldrichtig aufgehoben. Zumindest will das der Name dieses überraschend kindlichen Holzkästchens auf Stelzen offenbar vermitteln. „Das Baumhaus Cassiopeia will den Boden nur leicht berühren und sich vielmehr gen Himmel orientieren“, heißt es von den portugiesischen Architekten.
Spiel mit mir!
Auch wenn die Namensgebung mit ihrer Begründung vielleicht ein wenig hochgegriffen ist, ist er schlussendlich schon auch passend. Wenn man ihn nämlich so verstehen will, dass er alte Erinnerungen wecken soll. Ganz konkret Erinnerungen kindlicher Natur.
„Im Kern versteht sich das Holzprojekt als Spielplatz mit mehreren Wegen. Eine Feuerwehrstange, Rutsche, Schaukel, Seilrutsche, ein Netzbett, Affenstangen und eine skulpturale Kletterwand, die aus dem darunter liegenden Garten emporwächst, sind im Baumhaus Cassiopeia integriert“, schreiben die Planer.
Tatsächlich stechen die vielen kindlichen Features des hölzernen Tiny-Houses auf Stelzen sofort ins Auge. Damit soll in jedem noch so erwachsenen Menschen das Kind geweckt werden, heißt es. Die Kopfgeburt (ja, das ist eine Zeus-Anspielung) war natürlich Chefsache, wie dieser auch selbst betont: „Baumhaus Cassiopeia ist in einem Garten ohne Baum geboren. Es ist Zufluchtsort für Erwachsene, um von der virtuellen Welt abzuschalten“, so Gonçalo Madeira Marrote, Gründer von Madeiguincho.
Und wo bleibt das Teleskop?
Dazu diene der freilich nicht nur für Kinder gedachte Spielplatz. Laut dem Boss sei dieser ein „privilegierter Ort, um die Komplexität des Universums durch die Linse eines theoretischen Teleskops zu betrachten.“ Wir erinnern uns: das Teil heißt Baumhaus Cassiopeia …
Allein, das Teleskop ist im Lieferumfang nicht enthalten. Ein Oberlicht, das den Blick auf den Sternenhimmel freigibt sehr wohl. Alles in allem besteht die Konstruktion fast ausschließlich aus Holz. „Wir wurden aufgefordert, ein Baumhaus auf einer Ebene mit Kiefern und Korkeichen zu entwerfen“, holt der Architekt aus.
Baustoff Holz von der Natur vorgegeben
Nach einer Besichtigung des Standorts hat er dann junge und gesunde Kiefer auf einem Plateau mit Blick auf den Atlantik ausgewählt. „Wir gingen davon aus, dass die Kiefer als Schutz für das Haus dienen würde und dass das Projekt den Baum mit einbeziehen sollte.“ Somit sei die Materialwahl quasi von der Situation vorgegeben worden: „Von der Struktur über die Verkleidung bis hin zum Inneren des Hauses: Kiefer“, sagt der Studio-Chef.
Baumhaus Cassiopeia ist in einem Garten ohne Baum geboren. Es ist Zufluchtsort für Erwachsene, um von der virtuellen Welt abzuschalten.
Gonçalo Madeira Marrote, Gründer von Studio Madeiguincho
Die Wahl des Standorts fiel jedoch nicht nur ob der Baumsituation. An seinem jetzigen Standort profitiert das Baumhaus Cassiopeia tagsüber von einem weiten Blick auf den Horizont. In der Nacht wird der Blick auf den Zenit gelenkt, da es außer den Sternen kaum andere Lichtquellen gibt. Gonçalo Madeira Marrote: „Auf diese Weise bietet das Haus verschiedene Erlebnisse im Laufe des Tages und einen Wechsel der natürlichen Lichtquellen.“
Im Baumhaus Cassiopeia der Natur so nah
Um übrigens die Verbindung zur Natur und insbesondere zum Wald offensichtlich zu machen, wurde darauf verzichtet, die Holzblanken besonders intensiv zu bearbeiten. „Die rohe Materialität des Äußeren bezieht sich auf die Rinde der Bäume und deren rauen Ausdruck“, heißt es in der Projektbeschreibung.
Im Inneren wiederum wurde das Holz aber doch penibel geschliffen und glattpoliert. Schließlich wollte man eine wohnlich-weiche Nestsituation schaffen, ohne großartige Einrichtungsgegenstände integrieren zu müssen.
Die Einfachheit des Raumerlebnisses war ohnehin eine Schlüsselanforderung des Bauherrn. Dabei ging es ihm darum, „die Entfernung von der städtischen Lebensweise spürbar zu machen“, erzählen die Architekten. Deshalb habe man bei der Entwicklung extra darauf geachtet, dass sowohl Baumkronen als auch Meer stets im Blick sind. Und eben der Sternenhimmel – mit dem markanten Sternbild der Cassiopeia.
PS: Und wie sieht Cassiopeia nun aus?
Wer das Sternbild sucht, es ist kinderleicht zu finden: Cassiopeia liegt zwischen den Sternbildern Cepheus, Eidechse, Andromeda, Perseus und Giraffe. Seine hellsten Sterne stehen am Himmel in einer Anordnung, die an den Großbuchstaben „W“ erinnert. Das Sternbild Cassiopeia nimmt am Himmel eine Fläche von 598 Quadratgrad ein. In der Liste der 88 Sternbilder hat es die 25. Position. Mehr dazu gibt’s hier zu sehen:
Text: Johannes Stühlinger
Bilder: Joao Carranca