Wohnen mit Zen
Die belgische Stadt Antwerpen bekommt einen japanisch inspirierten Wohnturm in Holz-Hybridbauweise. Der Entwurf stammt von Pritzker-Preisträger Shigeru Ban, der die Natur und den Baustoff Holz zum zentralen Designimpuls macht.
Die positive Wirkung der Natur auf die Gesundheit des Menschen spiegelt sich in der zeitgenössischen Architektur wider, die sich heute kaum noch ohne üppiges grünes Beiwerk an Fassade, Dach oder Vorplatz präsentiert. Neue Wohnprojekte setzen vermehrt auf Urban Farming und Dachgärten, ja sogar auf das sogenannte Waldbaden. Während man es hierzulande oft als esoterische Nischenübung abtut, ist es in Japan, wo es seinen Ursprung hat, eine eigene Wissenschaft. Shinrin-yoku, 1982 vom japanischen Landwirtschaftsministerium ins Leben gerufen, war Teil eines millionenschweren Forschungsprogramms. Heute können sich Ärzte an japanischen Universitäten auf Waldmedizin spezialisieren, und 2006 eröffnete mit dem Akasawa Natural Recreation Forest das erste offizielle Zentrum für Waldtherapie.
Ich wollte einen Ort schaffen, an dem die Menschen in einer grünen Umgebung abschalten können. In Japan haben wir einen eigenen Begriff dafür: Shinrin-yoku. Entspannung durch Immersion in Natur.
Shigeru Ban, Architekt
Wenn sich also der japanische Stararchitekt Shigeru Ban in seinem neuesten Projekt BAN darauf bezieht, dann hat das Hand und Fuß. In der belgischen Hafenstadt Antwerpen entstehen zur Zeit ein Holz-Hybrid-Turm mit 25 Geschossen und ein Nebengebäude nach den Entwürfen des Pritzker-Preisträgers. Besonders auffallend dabei sind die Holzfassade, die Gärten im japanischen Stil und die großzügigen Außenräume.
Immersion ins Grün
Die beiden Bauteile erheben sich aus einer großzügigen Parklandschaft und bilden den neuesten Zuwachs im grünen Wohnviertel Nieuw Zuid. In diesem neuen Stadtenwicklungsgebiet am Ufer der Schelde hat man sich trotz zentraler Lage auf eine niedrige Bebauungsdichte beschränkt. Sechzig Prozent des Areals bilden Grünflächen mit weitläufigen Parks, Flussläufen, Spielplätzen und begrünten Innenhöfen.
„Holz, Gärten und Menschen sind die zentralen Faktoren des Entwurfskonzeptes“ erklärte Shigeru Ban beim kürzlich erfolgten Spatenstich. „Ich wollte einen Ort schaffen, an dem die Menschen abschalten können, daher die vielen Grünbereiche und der großzügige Hofgarten. Eine grüne Umgebung wirkt entspannend. In Japan haben wir einen eigenen Begriff dafür: Shinrin-yoku. Entspannung durch Immersion in Natur.“
Der größte Garten der Stadt
Ingesamt entstehen durch das Projekt BAN 295 neue Wohnungen in der belgischen Metropole. Das ortsansässige Bureau Bouwtechniek ist an der Umsetzung ebenso beteiligt wie die Landschaftsarchitekten des Brüsseler Büros Bas Smets, das kürzlich den Zuschlag für die neuen Parkanlagen von Notre Dame in Paris erhalten hat. Sie werden den 6.000 Quadratmeter großen Garten gestalten, der das grüne Herz der Anlage bildet.
„Der größte Garten der Stadt“, wie der Developer Triple Living sein Entwicklungsareal nennt, bekommt durch das neue Wohnprojekt einen fernöstlichen Stempel aufgedrückt.
Japan lässt grüßen
Eine Anlehnung an die Baukultur Japans bilden die verzinkten Dächer und die gerasterte Holzverlattung an der Fassade, die an Shoji erinnern, die traditionellen Trennwände aus Papier.
Die großzügigen Außenbereiche mit den überdachten Terrassen sind eine Anlehnung an die Engawa, den für japanische Häuser typischen überdachten Bereich zwischen Innen- und Außenraum. In einem Interview sagte Shigeru Ban darüber: „Seit meinen Anfängen als Architekt war ich immer daran interessiert, Räume zwischen drinnen und draußen zu kreieren. Ich glaube, dass der Zwischenraum für alle am komfortabelsten ist, unabhängig von Kultur oder Klima.“
Die Holzfassade ist mein Markenzeichen, und ich freue mich, dass ich das Straßenbild von Antwerpen auf diese Weise mitgestalten kann.
Shigeru Ban, Architekt
Künftige Bewohner der Apartments können sich durch den hohen Tageslichteintrag über helle Wohnräume freuen. Von den großzügigen Balkonen, die rund um den Turm verlaufen, ergeben sich spektakuläre Aussichten auf die Schelde und den Nieuw Zuid Park.
Holz verbessert die Klimabilanz
Die Konstruktion basiert auf einer Hybrid-Bauweise mit Holz, Beton und Stahl. Der umfangreiche Einsatz des Co2-neutralen Baustoffes Holz sorgt für eine gute Klimabilanz des großen Bauprojektes. „Ich habe viele Akzente in Holz gesetzt, wie ich es bei all meinen Projekten mache. Ich arbeite gerne mit Holz und die CO2-Emissionen sind auch wesentlich niedriger, als wenn man nur in Stahl und Beton baut“, sagt Ban über das Projekt.
Die Beziehung der Menschen zur natürlichen und der gebauten Umwelt steht stets im Mittelpunkt seiner Überlegungen. Die vielen Außenräume sollen einen engen Bezug zur Natur herstellen, die der große Park des neuen Stadtgebiets vom Flussufer bis vor die Haustür bringt. Den Rest erledigt der Naturbaustoff Holz, der den künftigen Bewohnern ein angenehmes Wohnklima verschafft.
BAN ist das erste Projekt des renommierten Architekten in Belgien, und eines mit Wiedererkennungswert noch dazu. „Die Holzfassade ist ein entscheidendes Merkmal der Hybridstruktur. Sie ist mein Markenzeichen, und ich freue mich, dass ich das Straßenbild von Antwerpen auf diese Weise mitgestalten kann.“
Text: Gertraud Gerst
Visualisierungen: Triple Living