Aus der Art geschlagen
Eine weiße Ziegelfassade. Sanfte Rundungen mit schattigen Nischen. Ein Blickfang für Passanten. Das kurdische Architekturbüro Zakaa hat im irakischen Sulaimaniyya mit dem Bakrajo Haus ein Eigenheim geschaffen, das so gar nicht in den stilistischen Einheitsbrei seiner Umgebung passt.
Im Nordosten des Irak liegt Sulaimaniyya. Mit mehr als zwei Millionen Einwohnern gilt die Metropole als größte Stadt der Autonomen Region Kurdistan, ist Zentrum für Kunst und Kultur sowie Sitz von vier Universitäten – und nach wie vor siedeln sich Jahr für Jahr zahlreiche Menschen in Sulaimaniyya an. Menschen, für die Wohnraum geschaffen werden muss. Und dieser kann durchaus außergewöhnlich sein, wie das lokale Studio Zakaa Architecture mit dem Bakrajo Haus beweist.
Einheitsbrei
Ein Kunde beauftragte das Architekturbüro mit der Errichtung eines dreistöckigen Einfamilienhauses in einem dicht besiedelten Wohngebiet von Bakrajo, einem Stadtviertel von Sulaimaniyya. Mit einer geringen Grundfläche, eingebettet zwischen den beiden Nachbarhäusern, konfrontiert, wollte Zakaa Architecture etwas schaffen, das sich aus dem üblichen architektonischen Einheitsbrei der Umgebung abhebt.
„Am häufigsten findet man in der Stadt Wohngebäude auf 200 Quadratmeter großen Grundstücken, die ihrerseits an beiden Seiten an 200 Quadratmeter große Grundstücke angrenzen. Somit bleibt immer nur eine Seite zur Straße hin offen, die schmälere Seite“, so das Studio. Die Herausforderung war nun, den Kunden davon zu überzeugen, ein individuelles Haus zu bauen „und nicht eine Kopie dessen, was in der Stadt schon tausendmal gemacht wurde.“ Ein Haus, das maximale Privatsphäre bietet und gleichzeitig ein Gefühl der Offenheit und Geräumigkeit vermittelt.
Aussichtslos
Die schmale Gasse, in der sich das Bakrajo Haus befindet, bietet keinen großartigen Ausblick. Daher entschloss man sich aufgrund der gewünschten Privatsphäre, die Front mit so wenigen Fenstern wie möglich zu gestalten. Die geschwungenen Formen des Projekts sorgen zudem auch ohne Vorhänge für Sichtschutz vor zu vielen Einblicken. Die den angrenzenden Nachbarn zugewandten Teile sind gänzlich fensterlos gehalten.
Für natürliches Licht im Inneren sorgt darüber hinaus ein Innenhof an der Rückseite des Gebäudes. Dieser wurde anstatt eines der in der Stadt üblichen Vorgärten errichtet, da diese laut den Architekten ohnehin nie genutzt werden und lediglich zu Brachflächen verkommen.
Schwungvoll
Das Haus besticht mit einer einheitlich weißen Fassade aus vertikal platzierten Ziegeln, die sich im heißen Klima der Region nur gering aufheizen. Ihre „Schwingungen“ bilden – neben den erwähnten Blickschutz-Nischen – auch Balkone und schattige kleine Terrassen sowie Halterungen für Pflanzengefäße. Auch im Inneren setzt sich die charakteristische Form mit geschwungenen weißen Wänden samt eingebetteter Deckenbeleuchtung fort. „Von außen sieht das Haus solide und isoliert aus, aber innen ist es offen, geräumig und von natürlichem Licht durchflutet“, so Zakaa.
Im mit schwarzem Steinboden ausgelegten Erdgeschoss befindet sich der große Wohn-, Koch- und Essbereich. Eine Wand aus Naturstein, an der die weiße Metalltreppe nach oben führt, trennt ihn vom ebenerdigen Schlaf- und Badezimmer. Einen Stock höher gibt es vier weitere Schlafzimmer. Zwei auf der hinteren Seite des Hauses, zwei auf der Vorderseite, jeweils mit eigenem Balkonzugang. Den Abschluss bildet eine Dachterrasse im zweiten Obergeschoss.
„In einem Land, das sich aufgrund der endlosen Kriege und der wirtschaftlichen Instabilität in einem ständigen Zustand der Zerstörung und des Wiederaufbaus befindet, ist Architektur nichts, was den Menschen am Herzen liegt“, so Zakaa Architects. „In den meisten Fällen ist ein einfacher Akt des Bauens mehr als ausreichend, solange es funktioniert.“ Das Bakrajo Haus jedoch warte darauf, „dass Passanten es als Gegenstück zur Eintönigkeit entdecken. Wir hoffen, dass es sie für einen Moment mit seiner unorthodoxen Form erfreut und ihnen vielleicht eine neue Perspektive gibt, die ihre festgefahrene Meinung über Architektur verändert.“
Text: Michi Reichelt
Bilder: Deed Studio