Luxuriöses Insel-Wohnglück
Die Bewohner des Bainbridge House in Washington genießen ihr luxuriöses Wohn-Glück ohne schlechtes Gewissen. Eingebettet in die ruhigen Wälder von Bainbridge Island verbindet das Refugium zeitgenössisches Design mit Nachhaltigkeit.
Ihre Namen stammen beide vom ersten Präsidenten der USA. Abgesehen davon haben Washington D.C. und Washington nicht viel gemeinsam. Washington D.C. im District of Columbia ist die Hauptstadt der USA und liegt an der Ostküste. Genau gegenüber, an der Westküste, befindet sich der Bundesstaat Washington. Er erstreckt sich von der kanadischen Grenze bis Idaho im Osten und Oregon im Süden. Im Westen wird Washington State vom Pazifischen Ozean begrenzt.
Den wenigsten Europäern ist bekannt, dass der US-Bundesstaat Washington den Spitznamen „Evergreen State“, zu deutsch „Immergrüner Bundesstaat“, trägt. Völlig zu Recht. Denn mehr als die Hälfte der Fläche von Washington State ist mit Koniferen, Zedern und anderen Nadelbäumen bestanden.
Wer hier ein Grundstück besitzt und baut – oder bauen lässt – darf sich daher glücklich schätzen. Tatsächlich ist auf den Fotos des Bainbridge House viel sattes und leuchtendes Grün zu sehen – eine Wohltat für die Augen. Und die reine, klare Luft ist zweifellos eine Wohltat für die Lungen.
Umgeben von Wald und Meer
Die Stadt Bainbridge liegt noch dazu im Puget Sound, einer Meeresbucht im Nordwesten. Diese ist Teil der Salischen See, eines Meeresgebiets zwischen Vancouver Island und den USA. Die Luft ist also auch gewürzt mit einer Prise Meer. Auf der Insel Bainbridge wohnen rund 25.000 Einwohner – ein beschauliches Leben dürfte hier fast so sicher wie das Amen in der Kirche sein.
Ist schon die Insel recht abgeschieden, so ist es das Bainbridge House noch mehr: Es ist ein Refugium auf einem bewaldeten drei Hektar großen Inselgrundstück. Zum Haus selbst gelangt man über einen 500 Fuß langen Auffahrtsweg, der sich durch den Wald schlängelt. Bainbridge House liegt in einer Lichtung auf der Spitze eines sanft abfallenden Hügels. Das von Finne Architects entworfene Haus öffnet sich zur Wiese auf der Südseite der Lichtung.
Zwei Baukörper
Der durchdachte Grundriss fügt sich harmonisch in die Landschaft ein: Bainbridge House ist in zwei Baukörpern organisiert. Dazwischen befindet sich ein verglaster Eingang. Der Schlafzimmertrakt liegt westlich dieses Eingangs. Der Wohnpavillon wiederum erstreckt sich nach Osten in die Landschaft hinein. Auch der Kamin – ein dekorativer Blickfang – ist im Osttrakt. Die Wohnfläche ist charakterisiert durch die großen Glaswände nach Süden und Norden.
Die Innenausstattung besticht großteils durch Schlichtheit: Schränke aus europäischer Buche und weiß gebeizte Eichenböden harmonieren mit den in ruhigem Grau gehaltenen Wänden. Alles zusammen entsteht ein Bild von unaufdringlichem Luxus, die umgebende Landschaft stets im Mittelpunkt.
Designarbeit im handwerklichen Modernismus
Die Kücheninsel ist ein skulpturales Meisterwerk aus weißem Quarzit. Sie bildet den Mittelpunkt des Wohnraums: Die maßgefertigten, gewellten Stahllampen über der Kücheninsel und dem Esstisch fügen einen Hauch von modernem Flair hinzu. Letzterer befindet sich gegenüber der Küche, und große Glasschiebetüren öffnen sich zu einer erhöhten Terrasse mit Blick auf die Wiese.
Jedes Detail, vom maßgefertigten Esstisch über die Gussglas-Frühstückstheke, die von einem lasergeschnittenen Stahlpaneel getragen wird, bis zu den gefalteten Stahltüren, hinter denen sich ein Flachbildfernseher verbirgt, spiegelt solide Handwerkskunst und Liebe zum Detail wider.
Die Haupttreppe ist „sparsam“ aus Stahl und Holz gefertigt. Die gewellte Garderobe aus Holz in der Nähe der Eingangstür zeugt nochmals von der Handwerkskunst, die in diesem Haus zum Einsatz kommt.
Ziegel nach jahrhundertealter Handwerkstradition
Der handwerkliche Ansatz setzt sich im Außenbereich mit einem bunten Muster aus Zedernholzverkleidungen und den einzigartigen Kolumba-Ziegeln fort. Im Bainbridge House weisen diese handgefertigten, dänischen Ziegel einen unaufgeregten grauen Farbton auf. Sie bilden Akzentwände in der Speisekammer und im Wohnzimmer am Kamin, bei dem die Kolumba-Ziegel in drei verschiedenen Grautönen gemischt wurden.
Das zu 100 Prozent handgefertigte Kolumba™ ist eine Kollektion von Baukeramik im länglichen Format. Sie lassen sich gleichermaßen für Mauerwerk und Pflasterung einsetzen. Durch die Verwendung unterschiedlicher Tonarten und teils sehr hohen Brenntemperaturen erhalten die Steine ihre vielfältigen Texturen und schönen Farbtöne. Die Ziegelei Petersen Tegl stellt seit 1791 Ziegel her und führt auch individuelle Aufträge aus.
Die Decke des Wohnpavillons zeigt ein dichtes Muster aus freiliegenden Holzbalken. Dieses wird von fünf Lichtschächten – ausgehend von der Küche – unterbrochen. Jede dieser Gauben ist gegenüber der orthogonalen Geometrie der Holzbalken leicht gedreht. So entsteht zusätzlich der Eindruck von Bewegung durch die Holzdecke.
Neue Standards für verantwortungsbewusstes Luxuswohnen
Die Bewohner des Bainbridge House genießen ihr luxuriöses Wohn-Glück ohne schlechtes Gewissen. Denn von Anfang an stand beim Entwurfsprozess von Architekt Nils Finne die Nachhaltigkeit im Vordergrund: Bainbridge House verfügt über große Dachüberstände von vier bis sechs Fuß. Die Dämmwerte übersteigen die gesetzlichen Vorschriften um 40 Prozent. Das Haus wird natürlich-effizient belüftet.
Die Glasfronten lassen viel natürliches Tageslicht in den Wohnraum. Die Fenster haben eine leistungsstarke Low-E-Isolierverglasung und sind mit verdeckten Jalousien ausgestattet. Low-E-Glas ist die Abkürzung für Low-Emissivity-Glas. Dabei handelt es sich um ein Isolierglas, auf das eine hauchdünne Metallschicht von etwa 100 Nanometern aufgebracht wird. Diese reduziert den Emissionsgrad der Verglasung und dient als Wärme- und/oder Sonnenschutzschicht.
Die Dachüberstände, verbauten Jalousien und hohen Dachfenster reduzieren den Wärmeeintrag in den Sommermonaten. Im Winter dagegen kann der niedrigere Sonnenstand in die Wohnräume eindringen und den beheizten Fußboden passiv erwärmen.
Die Armaturen sind wassersparend, als Beleuchtung fungieren LED-Leuchten. Die Pläne sehen künftige Photovoltaikanlagen auf dem Dach vor. Die meisten Materialien stammen aus der Region.
Im gesamten Haus wurden VOC-arme Farben und Beizen verwendet. VOC sind flüchtige organische Verbindungen (englisch: „volatile organic compounds“), eine Sammelbezeichnung für organische, also kohlenstoffhaltige Stoffe, die bei Raumtemperatur oder höheren Temperaturen durch Verdampfen rasch in die Gasphase übergehen.
Gemacht für viele, viele Jahre
Finne Architects verfügt über mehr als drei Jahrzehnte Erfahrung in nachhaltigem Design. Eines der Schlüsselprinzipien lautet: „Keine Wegwerfmentalität, sondern ein Haus, das viele Jahre hält.“ Nils Finne hat das preisgekrönte Architekturbüro in Seattle 1991 gegründet. Davor arbeitete er als Projektarchitekt für das 350 Millionen US-Dollar teure Getty Museum – dies entspricht etwa einem Drittel des eine Milliarde US-Dollar schweren Getty Center Komplexes in Los Angeles.
Finnes Arbeiten für Wohnhäuser wurden in über 100 Büchern und Zeitschriften veröffentlicht. Finne Architects gilt als eines der besten Designbüros in Seattle. Neben seiner architektonischen Tätigkeit war Nils Finne auch an der Gestaltung und Herstellung von mehr als 80 Möbeln, Beleuchtungselementen und Beschlägen beteiligt. Finne ist außerdem Mitglied des U.S. Green Building Council.
Text: Linda Benkö
Fotos: Benjamin Benschneider