Der „Wohn-Berg“ von Rennes
Die von MVRDV extravagant designte Anlage Ascension Paysagère verschafft Rennes schöne neue Wohnungen für verschiedene Budgets. Direkt am Flussufer gelegen, verbindet der begrünte „Wohn-Berg“ geschickt Peripherie und Stadtzentrum.
Die Hauptstadt der Region Bretagne zieht immer mehr Bewohner an. Mit gutem Grund. Dass Rennes 2018 vom Magazin „l’Express“ mit dem Prädikat „lebenswerteste Stadt Frankreichs“ ausgezeichnet wurde, kommt schließlich nicht von ungefähr. Zwei Universitäten und mehrere Hochschulen locken Studenten, Baudenkmäler verschiedenster Epochen Besucher. Seit 2017 ist Paris per TGV-Verbindung in zwei Stunden erreichbar. Und die Landschaft der Bretagne zieht stetig Reisende an. Nur: Wohnraum wurde zusehends knapp. Gut also, dass das jüngst fertiggestellte Projekt Ascension Paysagère ebensolchen bietet – in attraktiver Lage und auch für kleine Budgets.
Die neue Anlage, die das Büro MVRDV mit seinen Co-Architekten ALL für den Entwickler Groupe Giboire geschaffen hat, thront wie ein hübscher „Wohn-Berg“ am Ufer. Von geologischen Formationen inspiriert und genau da, wo die Flüsse Ille und Vilaine zusammenfließen.
Klug gesetzte Anbindung
Direkt gegenüber befindet sich der grüne, schwimmende Park des Jardin de la Confluence. Zudem liegt der Ascension Paysagère Komplex am Ende von Rennes‘ belebter Fußgängerzone Mail François Mitterrand. Also an einem Standort, der nach gut durchdachter Randverdichtung verlangte.
Die vielen denkmalgeschützten Gebäude im Stadtzentrum machen es schwer, dort Neues zu errichten. Die Peripherie muss folglich entweder in die Landschaft oder – vorzugsweise – mit lebenswert-innovativer Verdichtung in die Höhe wachsen. Eine Tatsache, der MVRDV mit seinem Entwurf geschickt gerecht wurde: Der Komplex Ascension Paysagère besteht aus zwei geschwungenen Gebäuden, einem großen und einem kleinen, mit allmählich abfallenden Hängen. Und er formt so einen harmonischen Übergang zwischen Innenstadt und Außenbezirken.
Die Herausforderung bestand darin, hier so vielen Menschen wie möglich Wohnraum zu bieten, ohne die Qualitäten des Ortes zu zerstören. Das haben wir erreicht, indem wir ein Ensemble aus zwei Gebäuden schufen, deren Silhouetten Hügeln ähneln und die mit Terrassen und Balkonen ausgestattet sind.
Nathalie de Vries, MVRDV-Gründungspartnerin
Am Fluss und dort, wo der „Wohn-Berg“ seinen Nachbarn nahekommt, sind die Trakte des Neubaus niedrig. Andernorts indes steigt die weitläufige Anlage allmählich in drei Spitzen an und erreicht in der Mitte des Geländes mit 12 Stockwerken ihre maximale Höhe. Auf 10.550 Quadratmetern Fläche bietet Ascension Paysagère 138 Wohnungen in verschiedenen Größen und Preisklassen. Dazu zählen auch 37 Sozialwohnungen, Geschäftsräume und einladende öffentliche Bereiche in der Uferlandschaft.
Begrünt bis oben hin
Die Terrassen, die durch die allmählichen Rücksprünge entstehen, sind mit Pflanzentöpfen bestückt. Sie sollen die üppig-grüne Atmosphäre des Flussufers bis zu den Wohnungen im obersten Stockwerk fortsetzen und spürbar machen. Und an der westlichen Ecke des größeren Blocks, zwischen den beiden „Gipfeln“, unterstreicht ein Garten mit Obstbäumen dieses nachhaltige Konzept.
Die Fassade macht noch deutlicher, dass die Architekten beim Design an geologische Formationen dachten. Sie besteht aus matten und glänzenden Keramikplatten in fünf verschiedenen Grautönen. Diese sind in mehreren Schichten angeordnet: Dunkel und meist matt in Bodennähe, jedoch heller und glänzender in den oberen Etagen.
Sanft verdichtet durch Ascension Paysagère
Nachts wird dieser Effekt durch die Beleuchtung verstärkt, wobei der obere Teil von Ascension Paysagère mit weiteren, in die Keramikplatten integrierten Lichtquellen ausgestattet ist. Das optische Gesamtbild des „Wohn-Bergs“ zieht zwar sofort den Blick auf sich, hebt jedoch auch die Natur des Umfelds hervor. Auf angenehme Art, obwohl die neue Anlage diesen Teil der Stadt Rennes erheblich verdichtet.
Jede Wohnung verfügt über einen Außenbereich – entweder über eine Terrasse, einen Balkon oder eine Loggia. Und diese sind mit maßgeschneiderten Pflanzgefäßen mit automatischer Bewässerung und einem eigenen Wasserhahn bestückt, um den Bewohnern die Pflege ihres Stückchens Landschaft zu erleichtern.
Freundlicher Dorf-Charakter
Die Terrassen schaffen eine dorfähnliche Atmosphäre. Wer in Ascension Paysagère wohnt, kann sich von dort aus bequem mit seinen Nachbarn von oben und unten unterhalten. Im Erdgeschoss definieren die Kurven der Gebäude eine Reihe öffentlicher Räume mit einer begrünten Fußgängerzone zwischen den beiden Blöcken. Obendrein gibt es einen Platz am Wasser, der zum Restaurant und Theater „Le Bacchus“ führt, das von der Biegung des größeren Gebäudes umschlossen wird.
„Ascension Paysagère ist genau so, wie wir es uns erhofft haben. Und es ist genau das, was an diesem Ort gebraucht wird“, meint MVRDV Gründungspartnerin Nathalie de Vries zufrieden. Mit dem Fluss und dem gegenüberliegenden Park biete das Gelände beste Lebensqualität.
Wichtige Außenbereiche
„Die Herausforderung bestand darin, so viele Menschen wie möglich hier wohnen zu lassen, ohne diese Qualitäten zu zerstören. Das haben wir erreicht, indem wir ein Ensemble aus zwei Gebäuden geschaffen haben, deren Silhouetten Hügeln ähneln und die mit Terrassen und Balkonen ausgestattet sind, um den Bewohnern schöne Außenbereiche zu bieten“, führt die Architektin aus.
Die Eingänge zum größeren Trakt befinden sich in drei einladenden, holzverkleideten Passagen. Diese durchziehen das Gebäude und schaffen großzügige Begegnungsräume. Außerdem eröffnen sie Ausblick und Zugang zu einem Garten an der Rückseite des Theater-Restaurants. Und am Entree zum Ascension Paysagère Areal entstand eine interessante Besonderheit: Ein ehemaliges Finanzamt wurde in den Stadterweiterungsplan einbezogen, wodurch auf dem öffentlichen Platz nun drei architektonische Epochen aufeinandertreffen.
Nachhaltiges Konzept
Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung lagen den Architekten am Herzen. Die achtsame Verdichtung, die Ascension Paysagère realisiert, verringert den Bedarf der Stadt Rennes, sich in die umliegende Landschaft auszudehnen. Um nachhaltige Mobilität zu fördern, umfassen die Parkgaragen insgesamt 210 Quadratmeter für Fahrrad- und Lastenrad-Stellplätze sowie E-Ladestationen.
Die 34 Wohnungen im kleineren Gebäude erfüllen Passivhaus-Standard und haben das Potenzial, den sonst üblichen Energieverbrauch deutlich zu reduzieren. Durch Fenster an mehreren Seiten ermöglichen die meisten Wohnungen Querlüftung. Auch auf möglichst optimalen Tageslichteinfall haben die Architekten von MVRDV und ALL geachtet.
Für alle Familiengrößen & Budgets
Der neue „Wohn-Berg“ von Rennes offeriert eine breite Palette von Wohnungstypen. Mit seinen 37 Sozial- und 42 Wohnungen im erschwinglichen Segment wartet Ascension Paysagère mit einem Angebot für Menschen aller Einkommensstufen und Familiengrößen auf. Die hochwertig gestalteten Gemeinschaftsräume stehen allen Bewohnern offen. Denn jeder Nutzer soll von allen Vorzügen profitieren – ganz unabhängig von Preis und Art der Einheit, die sein Zuhause ist.
Natürliche Landschaft als Vorbild fürs Projekt-Design heranzuziehen ist übrigens eine Idee, die das niederländische Top-Büro MVRDV auch andernorts erfolgreich umsetzt: Auch seine Entwürfe für die spektakulären „Oasis Towers“ im Hochhaus-Dickicht von Nanjing und sein faszinierendes „Valley“ in Amsterdam erinnern stark an natürlich gewachsene Berge und Täler. Ebenso, wie der behutsam zwischen City und Umland ans grüne Flussufer gesetzte Komplex Ascension Paysagère mit seinen attraktiven Außenbereichen, der Rennes jetzt mehr längst ersehnten Wohnraum verschafft.
Text: Elisabeth Schneyder
Bilder: Ossip van Duivenbode / MVRDV