Bekenntnis zum Hochstapeln
Um ein historisches, koloniales Baujuwel mitten in Singapur zu einem Hotel der Artyzen-Kette neu aufleben – und vor allem in die Höhe wachsen – zu lassen hat das Büro ONG&ONG kurzerhand Bungalows mit vielen begrünten Terrassen und Balkonen übereinander gestapelt.
Lange galten die Villa Marie, ein abgewirtschaftetes, doch charmantes Baujuwel aus kolonialer Zeit, und die umliegenden weitläufigen Gärten, als letzte große Baulücke der ansonsten dicht bebauten und hoch erschlossenen Cuscaden Road im Zentrum von Singapur. Als die chinesische Artyzen Hospitality Group beschloss, auf diesem Gelände ihr erstes Hotel außerhalb Chinas zu errichten, war es mit dem Dornröschenschlaf jedoch vorbei.
Der Auftrag zur Planung und Bauleitung erging an das vielfach preisgekrönte Büro ONG&ONG, das seinen Sitz ebenfalls in Singapur hat. Wachgeküsst wurde das historische Ensemble unter der fachkundigen Leitung von Steven Low, der die architektonische Gestaltung übernahm, und Lena Quek Poh Lian, zuständig für das Design der Außen- und Freiflächen.
Die denkmalgeschützte, historische Bausubstanz bestand aus einem mehrteiligen Herrenhaus im Kolonialstil, der jedoch den lokalen klimatischen und stilistischen Gegebenheiten entsprechend angepasst wurde.
Die Herausforderung, mit der sich Steven Low und sein Team konfrontiert sahen, war ein zwanzigstöckiges Gebäude zu entwerfen, das einerseits allen Anforderungen eines modernen Fünf-Sterne-Hotels mit 142 Zimmern und Suiten genügt. Und das andererseits aber die natürliche und private Atmosphäre eines von Grünflächen umgebenen Flachbaus behält. Um die Sache noch anspruchsvoller zu gestalten, sollte das Gebäude auch höchsten Standards in den Bereichen Nachhaltigkeit und Energieeffizienz entsprechen.
Artyzen: Ein Hotel aus Sky Villas mit Sky Gardens
Gelungen ist dies durch einen gestalterischen Kniff: ONG&ONG hat kurzerhand viele Bungalows einfach übereinander gestapelt, die sogenannten Sky Villas. Augenfällig wird dies bei einem Blick auf die vielen begrünten Terrassen und Balkone, welche die Fassade aus elegantem Terrakotta durchbrechen.
Egal, in welchem Stockwerk man aus dem Fenster blickt, hat man doch immer den Eindruck, in einen grün und üppig wuchernden Hinterhof zu blicken. Zugegeben – in den oberen Etagen sind es Gärten, durch die der Gast oder die Besucherin trotz ihrer reichhaltigen Bepflanzung Ausblicke auf die spektakuläre Skyline der Stadt erhaschen können.
Rattanmöbel und Sonnensegel ergänzen den kolonialen Stil dieser Außenbereiche auf geschmackvolle Weise. Das Unternehmen ONG&ONG, das sich als 360°-Dienstleister mit Lösungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette in den Bereichen Bau und Design für Infrastruktur, Gewerbe und Wohnen versteht, griff bei den Freiflächen überwiegend zu gedeckten Farben. Gemeinsam mit der dezenten Formgebung wird so ein sanfter Übergang zur eleganten Innenausstattung gebildet.
Im Inneren des Artyzen Singapore dominieren – neben den in modernen Hotels klassischen Grau-, Braun- und Beigetönen – weiches Rotgold, Kupfer, Bronze und mattes Schwarz.
Malaiische Einflüsse, auch bei der Küche
Malaiische Lebensfreude durchbricht diese sehr ruhige Farbpalette mit erfrischenden Farbakzenten: Dies zeigt sich an den roten, blauen, gelben und grünen Zierkissen sowie Teppichen, an den floralen Mustern an Wänden und Vorhängen. Eine Vielzahl sprießender und blühender Pflanzen bringt zusätzliche Frische in die Räume.
Zum Schutz vor übermäßiger Hitzeentwicklung wurden Fenster an der Ost- und Westseite des Gebäudes vermieden. Um dies auszugleichen und den hellen und luftigen Charakter der Räume beizubehalten, findet sich eine Vielzahl klug angebrachter Spiegel und Oberlichter. Diese verbreiten nicht nur wohliges Tageslicht, sondern vermitteln gleichzeitig ein Gefühl horizontaler Weite.
Viele der Räume bieten darüber hinaus mit Tonnengewölben aus hellem Holz, hoch ansetzenden Türbögen und Durchgängen, sowie einer enormen Deckenhöhe von bis zu fünf Metern ein geradezu royales Ambiente.
Natürliche Kühlung
Dennoch kommt einem nie die Behaglichkeit eines tropischen Landhauses abhanden. Die üppig begrünten Balkone und Terrassen tragen effizient zur Kühlung des Gebäudes bei. Ein Effekt, der durch den geschickten Einsatz von Ventilatoren, sowie luftdurchlässiger und atmungsaktiver Materialien im Innenbereich weiter verstärkt wird.
Wer trotz allem ins Schwitzen gerät, dem sei die Dachterrasse empfohlen. Dort kann neben kühlen Cocktails und schattenspendenden Bäumen vor allem der fünfundzwanzig Meter lange Infinity-Pool für Abkühlung sorgen.
Blick auf die Nassim Hills und den Botanischen Garten
Von hier aus hat man auch einen ungestörten Ausblick auf die Umgebung mit der dynamischen Szenerie der parallel zur Cuscaden Road verlaufenden Einkaufsmeile Orchard Road einerseits und der Ruhe des flachen, grünen Nassim Hill-Gebiets andererseits. Gut zu sehen sind ebenfalls die Singapore Botanic Gardens. Diese botanischen Gärten erstrecken sich über eine Fläche von 74 Hektar. Mit jährlich 4,2 Millionen Besuchern ist die erste Stätte Singapurs, die ins UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen wurde, zudem der meistbesuchte botanische Garten der Welt.
Wen so viel Entspannung hungrig werden lässt, der hat es im Artyzen Singapore glücklicherweise nicht weit – selbst bei höchsten kulinarischen Ansprüchen. In der vierten Etage des Hotels kommen die hungrigen Besucher voll auf ihre Kosten. Im „Quenino“ werden kreative, zeitgenössische Überraschungen Asiens aus den Händen von Victor Liong, eines gefeierten Spitzenkochs aus Melbourne mit malaiisch-chinesischen Wurzeln, aufgetischt. Der Insel- und Stadtstaat Singapur liegt übrigens unmittelbar vor der Südspitze Malaysien.
Nostalgie-Charme gepaart mit frischer Moderne
Im Erdgeschoss des Artyzen findet sich der kleine Bruder des Quenino, das „Café Quenino“. Dies ist einer der Orte, an dem der Charakter des Artyzen Singapore voll zur Geltung kommt: In dieser Oase der Entspannung mischt sich der nostalgische Charme lange vergangener Zeiten mit der frischen und üppigen Lebendigkeit eines tropischen Gartens. Hier zeigt sich, was möglich wird, wenn die Vergangenheit mit der Gegenwart verwoben wird. Wenn koloniales Flair auf Lokalkolorit trifft, wenn Eleganz mit Natürlichkeit, und Luxus mit innovativem Design in Harmonie gebracht werden.
Orte wie dieser, Orte wie das Artyzen Singapore können vieles sein: Unterkunft im Rahmen einer Geschäftsreise, Ausgangspunkt für eine Singapur-Städtereise oder Nächtigungsmöglichkeit bei einem Stopover-Flug. Ein Ort wie das Artyzen Singapore aber macht vor allem eines: Nachhaltig wohlig entspannt.
Text: Linda Benkö
Fotos: Fabian Ong