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Alles Mandarine, oder was?

An den Ausläufern der ostspanischen Sierra de Abanilla hat das lokale Büro „ad-hoc“ ein architektonisches Gustostückerl hingezaubert. Mandarina Coleóptera, der Sitz einer Genossenschaft für Bio-Mandarinen brilliert mit allerhand ökologischen Finessen.

Es sind gerade die kleinen, feinen Details, die oft das eigene Herzchen höherschlagen lassen. So dürfte es auch dem Architektenkollektiv ad-hoc gegangen sein, als es tiefer in das Projekt „Mandarina Coleóptera“ eingetaucht ist – übersetzt heißt das übrigens so viel wie Mandarinen-Käfer.

Gliederfüßer gegen Schädlinge

Einer der spannenden Hintergründe der gesamten landwirtschaftlichen Anlage ist nämlich, dass hier eine sogenannte Arthropoden-Fauna angezogen werden soll. Damit sind spezielle Gliederfüßer – also Insekten, Tausendfüßer sowie Krebs- und Spinnentiere – gemeint, die im hiesigen Fall unerwünschte Schädlinge von den Mandarinen fernhalten sollen.

Mandarina Coleóptera

Und genau für einen solchen biologischen Zweck könnte „diese kleine Architektur ein großartiges Mittel sein“, wie die Designer des schmucken Verwaltungssitzes vorsichtig betonen. Denn ganz generell ziele das Gebäude auf die „beruhigende Sicherung der Nachhaltigkeit“ ab.

Mandarina Coleóptera – Mitten in den Hain hinein

Bevor wir die nachhaltige Gebäude- und Umfeldstruktur näher betrachten, ein paar allgemeine Fakten zu dem Projekt. Auftraggeber ist ein gepflegter Bio-Mandarinenbetrieb, dessen Fläche eigentlich recht weitläufig wirkt. Allerdings sind die Größe und Produktionsmenge zu gering, um die Bedingungen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU zu erfüllen.

Mandarina Coleóptera

Aus diesem Grund hat man zusammen mit anderen landwirtschaftlichen Betrieben in der Region eine Genossenschaft gegründet, damit die erforderliche Größe erreicht wird. Weil für die neue Vereinigung eine entsprechende administrative Basis nötig war, entschied man sich, diese doch gleich mitten im Mandarinen-Hain zu errichten.

Immer den Garten im Visier

Zur Orientierung: Wir befinden uns hier an den südlichen Ausläufern der relativ steilen Sierra de Abanilla, einem kleinen Gebirgskamm im Südosten von Spanien, der bis auf gut 500 Meter Seehöhe hinaufreicht. Die 6.000-Einwohner-Stadt Abanilla, an dessen Rändern der Bio-Betrieb liegt, befindet sich rund 40 Kilometer nördlich von Murcia, die wiederum Hauptstadt der gleichnamigen Provinz und mit ihren rund 500.000 Bewohnern die siebtgrößte City des Landes ist.

Unser Vorschlag wird als Schnittpunkt zweier Strategien entwickelt: den Garten als solchen zu ‚bewohnen‘ und sich selbst als Betrachter des landwirtschaftlichen Betriebs ‚einzubinden‘.

ad-hoc

In Murcia haben auch die Architekten von ad-hoc ihren Sitz. Ihre Idee für das Genossenschaftsbüro beschreiben sie so: „Unser Vorschlag wird als Schnittpunkt zweier Strategien entwickelt: den Garten als solchen zu ‚bewohnen‘ und sich selbst als Betrachter des landwirtschaftlichen Betriebs ‚einzubinden‘“. Demnach wurden die Büroräume so in den Grundriss eingefügt, dass sie einen Blick auf und in die Landschaft gewähren. 

Noch tiefere Einblicke

Um die Aussicht zu verstärken, wurde eine kleine Plattform angelegt, die nur ein paar Schritte vom Bürogebäude entfernt ist. Von dort aus bietet sich ein 360°-Blick auf die Schönheiten der Umgebung, wie die Planer schwärmen: „auf das ganze Tal, über das sich die unendlichen Mandarinenbäume erstrecken; die Berge, die es umgeben; die Stadt Abanilla; die Vögel, die den Himmel durchkreuzen; den Sonnenuntergang; die Blüte und Entwicklung der Früchte; die Arbeit der Insekten; die Regentropfen …“

Mandarina Coleóptera

Allgemein ziele das Projekt darauf ab, „die Architektur in die Zyklen des Lebens einzufügen und eine Plattform für die Interaktion mit dem Ökosystem zu bieten“, so ad-hoc. Natürlich gehe es hier ganz konkret auch um „die Entwicklung von landwirtschaftlichen, kulturellen und technischen Praktiken“, aber dabei wolle man immer „die Umwelt respektieren, die ihrerseits in einen breiteren und komplexeren Kontext eingebettet ist.“ 

Ein Kern aus Holz und Ton

Bei der bautechnischen Umsetzung wurde daher – soweit wirtschaftlich möglich – besonders auf ökologische und bioklimatische Parameter geachtet. Demzufolge wählte man für den Kern des Gebäudes eine Holzstruktur, die zwei überdachte Buchten umfasst, die in der Mitte in eine nach oben offene Laube münden. In diesem kleinen Innenhof wird – dank eines leichten Gefälles am Dach – auch das Regenwasser für eine üppige Pflanze gesammelt.

Mandarina Coleóptera

Die Außenwände des gerundeten Gebäudes sind auf der Innenseite mit dem Spezialprodukt Termoarcilla der Firma Panespol ummantelt und mit Lehm verputzt. Dabei handelt es sich um eine dekorative Wandverkleidung aus Ton, die in offenen Räumen das Gefühl von Natur und Helligkeit vermittelt. Um Abwechslung und Naturnähe zu erzeugen, sind manche Wände zwischen den Büros zudem aus Holz gestaltet.

Eine Fassade in voller Reife

Die Hauptmauer wurde auf der Außenseite mit einer Wärmedämmung und einer Metallhülle versehen, um eine elementare hinterlüftete Fassade zu schaffen. Neben dem klimatischen Effekt dieser Konstruktion, die in den heißen Sommermonaten für Kühlung und in den eher frischeren Wintermonaten für Erwärmung der Innenräume sorgt, ließ sich durch die Metallfassade auch das knallige Orange von Mandarinen nachempfinden.

In dieser Hinsicht untermauert ad-hoc damit einen seiner Leitsätze: „Wir glauben an Architektur als Lebensart, die jederzeit genossen werden kann und bei welcher der Humor nie verloren gehen sollte“. Aber gleichzeitig ist man sich schon einer großen Verantwortung bewusst. „ad-hoc partizipiert an einem endgültigen ökologischen Weltbild, das sich dem traditionellen Dualismus entzieht und auf das offene Projekt einer gemeinsamen Welt vertraut.“

Sonnenstrom und kanadischer Brunnen

Umgesetzt auf die Mandarinen-Genossenschaft bedeutet das, dass sämtliche technischen Anlagen völlig autonom funktionieren – sprich: netzunabhängig sind. So wird etwa der benötigte Strom für das Bürogebäude über eine Photovoltaik-Anlage von einem nahegelegenen Lagerhaus bereitgestellt.

Auch ein integriertes Wasserversorgungssystem, das Sammlung, Speicherung, Reinigung und Klärung umfasst, steht bereit. Zudem wurde ein Doppelfluss-Klimatisierungssystem mithilfe eines kanadischen Brunnens eingebaut – das ist ein „energiesparender, geothermischer Austauscher, der zur Kühlung oder Erwärmung der belüfteten Luft in einem Gebäude verwendet wird“.

Etwas für das Herz

Wenn man nun all die Errungenschaft bei diesem einzigartigen Objekt betrachtet, darf einem ruhig ein bisschen das Herz aufgehen, finden wir.

Text: Martin Obermayr
Fotos: David Frutos

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