Süße Träume in der Zuckerfabrik
Die Transformation einer stillgelegten Zuckermühle in das Boutique-Hotel Alila Yangshuo ist ganz großes Kino. Das Team von Vector Architects hat den industriellen Bestand behutsam adaptiert und ein bühnenreifes Remake inszeniert.
Heute zählt die chinesische Provinz Guangxi mit ihrer spektakulären Karstlandschaft zu den beliebtesten Reisezielen Chinas. Eine Flussfahrt auf dem Li Jiang, vorbei an den monolithischen Kalksteinkegeln, die vor rund 280 Millionen Jahren entstanden sind, gilt als Highlight jeder China-Rundreise. Auf einem Sattel zwischen zwei Karstbergen, nahe des heutigen Urlaubsortes Yangshuo, entstand in den 1960er-Jahren eine Zuckermühle. Nach vielen Jahren des Leerstandes hat das Pekinger Büro Vector Architects die Anlage nun in ein Boutique-Hotel verwandelt.
Das Alila Yangshuo Hotel verbindet auf eindrucksvolle Weise das bauliche Erbe des Ortes mit einer neuen Architektur, die im Betrachter beides weckt: den industriellen Charme vergangener Zeiten und das Gefühl einer starken Eigenständigkeit. Während sich die gemeinschaftlich genutzten Bereiche in den alten Bestandsgebäuden befinden, schafften die Architekten neue Trakte für die Hotelzimmer und Suiten.
Spannungsvoller Bogen zwischen Alt und Neu
Die alten Baukörper, die Rezeption, Café, Bar, Galerie und Bücherei beherbergen, sind um einen künstlichen Teich gruppiert, der den neuen Mittelpunkt der Anlage bildet. Über Wege gelangt man zu einem Platz, der sich unterhalb des Wasserspiegels befindet. „Die versunkene Plaza und der reflektierende Teich unterstreichen die symbolhafte Bedeutung der alten Struktur“, erklären die zuständigen Architekten.
Wir haben das Profil der neuen Gebäude so einfach wie möglich gehalten, um nicht durch eine auffällige Geometrie von der alten Zuckermühle abzulenken.
Vector Architects, Architekturbüro
Die beiden neuen Gebäude flankieren die alte Mühle und zitieren sie in Form und Materialität. „Wir haben das Profil der neuen Gebäude so einfach wie möglich gehalten, um nicht durch eine auffällige Geometrie von der alten Zuckermühle abzulenken“, wie es heißt. Stattdessen bestand der Anspruch, einen Bogen zwischen Alt und Neu zu spannen, und das historische Erbe behutsam in einen zeitgemäßen Rahmen einzubetten.
Architektonisches Schattentheater
Die Architekten haben Scheunen-ähnliche Kubaturen mit einfachem Giebeldach entworfen, die aus Beton-Hohlwand-Elementen bestehen. Um die Neubauten von der nahegelegenen Straße abzuschirmen, sind den Fassaden perforierte Wandschirme vorgelagert. Diese bestehen abwechselnd aus massiven und hohlen Betonelementen. So entsteht eine halbtransparente Struktur, die aus der Ferne aussieht wie ein lockeres Strickmuster.
Mauerwerk neu interpretiert
„Die Wände bilden eine federleichte und moderne Interpretation der Bauweise, die einst bei der Mühle zum Einsatz kam“, so die Architekten. „Anstatt die alten Materialien und Strukturen einfach zu kopieren, versuchten wir eine gewisse Einheitlichkeit und Zusammengehörigkeit herzustellen, indem wir zeitgemäße Materialien und Bauweisen verwendeten, aber das Zitat des alten Mauerwerks beibehielten.“
Anstatt die alten Materialien und Strukturen einfach zu kopieren, versuchten wir eine gewisse Einheitlichkeit und Zusammengehörigkeit herzustellen, indem wir zeitgemäße Materialien und Bauweisen verwendeten, aber das Zitat des alten Mauerwerks beibehielten.
Vector Architects, Architekturbüro
Großes Kino bietet auch der Poolbereich auf dem ehemaligen Frachtplateau, wo der Zucker einst auf Schiffe verladen wurde. Die alte Gerüststruktur verleiht dem Sonnendeck über dem Fluss einen industriellen Charakter, abgesoftet durch die üppig grüne Landschaft ringsum.
Wie auf einer Bühne wechselt die Szenerie von einem Hotelbereich zum anderen. „Gäste, die durch das Resort-Hotel spazieren und durch die gerahmten Aussichtsluken blicken, erleben einen Wechsel von hell und dunkel, von nah und fern, von hoch und tief.“
Auch die haushohe Bambusskulptur zwischen den beiden neuen Baukörpern hat etwas Theatralisches an sich. Sie ist nicht nur verbindendes Element zwischen den Gebäuden, sondern auch ein Bindeglied zwischen Handwerkskunst und Industrie. Eine Brücke zwischen Tradition und Moderne.
Text: Gertraud Gerst
Fotos: Shengliang Su, Hao Chen