Achilles House in Hampstead, von ConForm Architects renoviert
#wohnen

Wie aus einem Stein gemeißelt

ConForm Architects haben aus einem alten viktorianischen Reihenhaus ein helles Juwel gemacht. Nicht nur wurde geschickt ein Freiraum zum Nachbarhaus genutzt. Das Achilles House in Hampstead hat nun auch einen strahlenden Mittelpunkt aus edlem Marmor.

Es gibt keine Wohnform, die so sehr als „typisch englisch“ wahrgenommen wird, wie ein viktorianisches Reihenhaus – womöglich noch mit einem trapezförmigen Standerker. Halb London dürfte in dieser seriellen Form der suburbanen Wohnräume errichtet worden sein. Mal gibt es zwei, mal drei Geschosse. Mal prangt ein Giebel über dem Vorsprung, mal nicht.

„Wohndemokratie“ versus Individualität

Reihenhäusern ist eine Art Demokratie zu eigen: Die Baukörper sind ident und erlauben meist wenig Individualität. In Großbritannien und den ehemaligen britischen Kolonien bezeichnet ein viktorianisches Haus allerdings zunächst ganz allgemein ein Objekt, das während der Herrschaft von Königin Victoria gebaut wurde.

Achilles House, Hampstead, London, ConForm Architects
Der Anbau wirkt wie eine in sich geschlossene Box, die von zwei abgeschrägten Rahmen eingefasst ist.

Während der industriellen Revolution wurden im Zuge der aufeinanderfolgenden Boomphasen des Wohnungsbaus viele Millionen viktorianischer Häuser errichtet. Sie prägen auch heute noch das Bild der meisten britischen Städte – mit ihren Backsteinmauern, Schieferdächern, Steindetails und der zumeist bescheidenen Dekoration.

Monolithischer Marmor-Anbau

ConForm Architects hat das Achilles House in Hampstead im Westen Londons mit einer ausgeklügelten Idee aufgewertet. Sie haben ein schmales Stück Garten zwischen den Bebauungszonen geschickt ausgefüllt. Der Anbau wirkt nun wie eine in sich geschlossene Box, die von zwei abgeschrägten Rahmen eingefasst wird.

Hampstead gilt weithin als eine der begehrtesten Wohngegenden Londons. In unmittelbarer Nähe genießen die Bewohner die Reize von Hampstead Heath, ein öffentlicher Park mit sanften Hügeln, Wäldern, Wiesen und Teichen. Die von den viktorianischen Backsteinhäusern gesäumten Straßen sind begrünt – alles in allem ein schönes Erscheinungsbild. Die Innenräume der viktorianischen Häuser mit ihren veralteten Grundrissen und Raumgrößen können allerdings sehr beengt und dunkel sein.

Ein fast neues Haus

Wenn Eigentümer eines solchen Hauses eine Sanierung in Angriff nehmen (müssen), taucht daher rasch der Wunsch nach neuen Akzenten, etwas Frischem auf. Beim Achilles House haben die Bewohner nahezu ein gänzlich neues Haus erhalten. So sehr hat die Renovierung das Gesicht und den Charakter der zuvor dunklen und unzusammenhängenden Wohnräume des alten viktorianischen Hauses verändert.

Die Lage des viktorianischen Reihenhauses in Hampstead
Die Lage des viktorianischen Reihenhauses in Hampstead.

Der Grundriss des neuen Anbaus
Der Grundriss des neuen Anbaus mit Zugang zum Garten.

Am meisten springt beim Achilles House der markante, monolithische Anbau ins Auge. Diesen hat ConForm in ein Stück Grünraum zwischen dem ursprünglichen Stadthaus und dem Nachbarhaus gesetzt. Der Anbau scheint vollständig aus hellem Marmor gehauen zu sein.

Verbindende Ideen, interessante Kontraste

Diese Marmorblockerweiterung wurde so konzipiert, dass sie eine nahtlose Verbindung zwischen dem erneuerten Erdgeschoss und dem nach Südosten ausgerichteten Garten herstellt. Zudem bringt das Marmorvolumen mehr Raum und Licht in das Einfamilienhaus.

Wunsch der Bauherren war eine vollständige Renovierung – mit einem funktionalen, ruhigen Innenraum, verbesserter Zirkulation, mehr Stauraum sowie flexiblem, geräumigem Ess- und Wohnzimmer, auch für große Familienfeste und Versammlungen.

Dem kamen die Experten des Londoner Architekturbüros nach. Gleichzeitig versuchten sie, interessante Kontraste und ein dynamisches Zusammenspiel zwischen dem massivem Marmor und dem bereits vorhandenen Sichtmauerwerk herzustellen.

Neue Küche im Marmor-Block

Und so verfügt Achilles House nun nach erfolgter „Generalüberholung“ über einen verbesserten Eingangsbereich, wo auch gleich durchdachte Stauräume hineingeplant wurden. Ein neues Gäste-WC steht bereit. Das Erdgeschoss ist offen und geht in die helle Küche über. Die maßgefertigte Kochinsel bildet – wie so oft in Einfamilienhäusern – den zentralen Treffpunkt des Familiengeschehens.

Die zentrale Kücheninsel aus gebeizter Eiche wird von einem pulverbeschichteten weißen Stahlrahmen getragen. Das verleiht der Komposition eine gewisse, kontrastreiche Leichtigkeit
Die zentrale Kücheninsel aus gebeizter Eiche wird von einem pulverbeschichteten weißen Stahlrahmen getragen.

Die durchgängige Verwendung von Marmor macht die Küche zu einem beruhigenden Raum, der wie eingepasst wirkt. Er schließt mithilfe gut durchdachter Übergängen an die bestehende Architektur an.

Nahtloser Übergang zwischen innen und außen

Die großzügige Kücheninsel scheint in der Mitte des hellen Raumes leicht zu schweben. Sie wird von einem weißen pulverbeschichteten Stahlrahmen getragen. So erhält die denkbare Schwere der massiven Steinverkleidung einen Hauch von Leichtigkeit. Der Stahlrahmen verlängert sich und stuft die Insel nach unten ab, um einen Esstisch zu bilden, an dem vier Personen bequem Platz finden. ConForm entschied sich für eine Arbeitsplatte aus Corian-Quarz – dies aus Gründen der Haltbarkeit und Porenfreiheit gewählt wurde.

Achilles House, Hampstead, London, ConForm Architects
Das renovierte Erdgeschoss öffnet sich zur neuen Küche, die ein paar Stufen tiefer als der Essbereich liegt.

Vom Flur aus führen Schiebetüren aus gebeizter Eiche in das formelle Wohnzimmer an der Vorderseite des Hauses. Dank der integrierten, niedrigen Holztischlerarbeiten wirkt das Wohnzimmer nicht überladen. In der Mitte des Grundrisses befindet sich neben dem Wohnzimmer ein flexibler Essbereich, der ebenfalls durch eine neue Tür im Eingangsbereich zugänglich ist. Hier ist geschickt versteckt der für die Familiengarderobe gedachte Stauraum.

Mehr Raumhöhe, mehr Licht, mehr Leichtigkeit

Im Essbereich besteht der Kontrast zwischen dem gebeizten Eichenholzboden und den maßgefertigten weißen Tischlerarbeiten entlang der Südfassade. Hier befindet sich auch der Zugang zum Keller sowie die Verbindung zum Anbau durch eine interne Marmoröffnung mit Blick auf die neue Küche und den Seitenanbau.

Achilles House, Hampstead, London, ConForm Architects
Eine geometrisch präzise Komposition mit elegantem Marmorrahmen.

ConForm senkte den neuen Küchen- und Wohnbereich um 40 Zentimeter ab, um mehr Höhe zu gewinnen. Die Materialien wurden so ausgewählt, dass sie einen Verlauf von innen nach außen zeigen: Beton und weiß gestrichener Backstein, die verschiebbare Verglasung ist dezent gerahmt. Die Außenrahmen sind in Boden, Decke und Wände eingelassen.

Der Anbau ist vollständig mit Marmor des italienischen Lieferanten Nicola Azzollini Marmi verkleidet. Die sanften grauen Maserungen und Adern verleihen der Küchenerweiterung ein Gefühl von Körperlichkeit. Der Anbau ist innen wie außen von zwei kubischen Rahmen mit abgeschrägten Kanten eingerahmt. Sie leiten das Licht und den Blick. Die schlanken Schrägen mildern gleichzeitig die Massigkeit des Marmors.

Der Raum erhält durch die Verglasung entlang der nördlichen Seite und ein tiefliegendes, raumhohes Fenster mit Blick auf den hinteren Hofgarten natürliches Licht. Das neue Glasdach wird von drei Dachbalken aus pulverbeschichtetem Stahl getragen, was den Eindruck einer neuen, minimalen Struktur verstärkt, die in die bestehende Bausubstanz des Hauses eingefügt wurde.

In die Deckenbalken integriert ist die LED-Beleuchtung. So werden weiche Schatten und Reflexionen in den hellen und luftigen Raum geworfen.

Ein zusammenhängender Raum

Marmorplatten sind schwer. Und bei hochqualitativem Marmor sind die Mineralien beziehungsweise die mineralischen Körner kompakt und sehr dicht gelagert. In Zusammenarbeit mit dem Marmorspezialisten Nida entwickelte ConForm eine Lösung, die den Einsatz von Marmor auf Oberflächen ermöglicht, die nicht viel Gewicht tragen können, wie z. B. Türen, Schubladen, Geräte und Untersichten. Die Dicke dort wurde auf nur sechs Millimeter reduziert. Jede Marmorplatte ist mit Riegeln verstärkt, die eine sichere und solide Verbindung mit der darunter liegenden, hoch isolierten Struktur gewährleisten.

Achilles House, Hampstead, London, ConForm Architects
Der Marmor setzt sich in der gesamten Küche fort: Bodenbelag, Wandverkleidung und die Schränke.

Der Marmor setzt sich in der gesamten Küche fort und wird für den Bodenbelag, die Wandverkleidung und die Schränke verwendet, so dass ein zusammenhängender Raum entsteht. Diese durchgängige Verwendung von Marmor macht die Küche zu einem beruhigenden Raum, der wie eingepasst wirkt und an sehr detaillierten und durchdachten Übergängen an die bestehende Architektur anschließt.

Referenz an den Stadtteil und griechischen Marmor

ConForm entwarf die Renovierung des gesamten 188 Quadratmeter großen Achilles House. Auch in den oberen Etagen wurde aufgefrischt: Insgesamt fünf Zimmer, drei davon sind Schlafzimmer, eines wird als Spielzimmer und eines als Arbeitszimmer genutzt. Die Architekten fügten eine neue Dachgaube hinzu sowie einen Raum über dem Ausleger. Schwarze Verkleidungen mit dem gleichen abgeschrägten Muster wie der Marmor sorgen für eine optische Einheit.

Bleibt noch eine Frage offen: Warum wurde das Haus nach dem griechischen Helden Achilles benannt? Die Antwort ist naheliegend: Die Adresse liegt in einer Wohngegend Londons, die für ihre griechischen Straßennamen bekannt ist. Und natürlich wurden viele Kunstwerke wie etwa Plastiken der griechischen Antike aus Marmor geschaffen. Marmore sind aber nicht nur ideale Bildhauermaterialien, sondern heute nach wie vor im Innenausbau sehr begehrt.

Text: Linda Benkö
Fotos: Lorenzo Zandri

Jetzt Newsletter Bestellen <>