Wohn-Tradition aus Holz
Im kleinen spanischen Dorf Garralda wurde mit 4 VPO ein Projekt in der Tradition der baskisch-navarresischen Bauernhäuser modern und nachhaltig umgesetzt – mit Holz. Höchstmögliche Wohnqualität inklusive.
Garralda im äußersten Norden Spaniens leidet nicht gerade unter Überbevölkerung. In dem Dorf im Aézcoa-Tal leben aktuell gerade einmal 180 Menschen. Tendenz fallend. Ein Projekt des Madrider Studios Rodrigo Núñez Arquitectos, das in Zusammenarbeit mit der Architektin Nazareth Gutiérrez Franco von Estudio NAZA Arquitectura y Diseño entstand, soll zu neuer Ansiedlung in Garralda führen.
Mit 4 VPO, so der Name des Projekts, entstanden zwei Wohnhäuser mit klar definierter Zielsetzung seitens des Verantwortlichen: Einerseits die Integration in die landschaftliche Umgebung, andererseits höchstmögliche Wohnqualität.
Baskisches Bauernhaus
Besonderer Fokus wurde beim Design zudem auf die traditionelle Bauweise der Region gelegt. Garralda liegt im Baskenland, genauer: in der autonomen Gemeinschaft Navarra. Dort findet man zahlreiche Caseríos (baskisch: Baserri): Aus Ziegel gebaute, freistehende Bauernhäuser mit Satteldächern. In der Regel befinden sich darin Getreidespeicher, Ställe und andere landwirtschaftliche Räume im Erdgeschoss, während in einem oder mehreren Obergeschossen die Wohnräume untergebracht sind. Eine Tradition, die auch das Architekturteam in ihrem Design berücksichtigte. So gibt es in beiden Häusern eine Wohnung im ersten Stock und eine im Dachgeschoss, das Erdgeschoss ist jeweils für gemeinschaftliche Nutzung reserviert. Auch die klassischen Caserío-Galerien finden sich im Design wieder – sie können mittels hölzerner Fensterläden vor Sonneneinstrahlung und Einblicken geschützt werden.
Nach einer ausführlichen Analyse des lokalen baskisch-navarrischen Baustils beschloss man, 4 VPO auf zwei Gebäude aufzuteilen und diese unterschiedlich auszurichten, „um den Dialog mit der Umgebung zu fördern“, wie es offiziell heißt. Zudem wurde das Grundstück nicht eingezäunt oder anderweitig begrenzt. Die Verbindung zur Landschaft soll dadurch ebenso verstärkt werden wie jene zum Dorf.
Hölzerne Hommage
Der größte Unterschied zum traditionellen Caserío: Bei 4 VPO handelt es sich um eine Konstruktion aus Brettsperrholz (CLT). Die Außenwände wurden mit Dämmwolle und weißem Mörtel versehen. Dieser wirkt nicht nur aufgrund seiner natürlichen Eigenschaften ebenfalls isolierend; das großflächige Weiß reflektiert Sonnenlicht und sorgt so in Hitzesommern für kühlere Räume. Bei deren Anordnung wurde auf größtmögliche „Neutralität“ geachtet, um unterschiedliche Lebensstile zu ermöglichen – zudem lassen sich die CLT-Wände flexibel platzieren. Farben und Materialien in den Räumen wurden bewusst neutral gehalten, um den Bewohnern die Möglichkeit zur eigenen Gestaltung zu geben und den Wohnungen einen persönlichen Charakter zu verleihen.
„Die Auswahl der Materialien erfolgte sensibel und respektvoll gegenüber der Umwelt“, so Rodrigo Núñez Arquitectos. Bei den Dächern und Fensterläden der Galerien verwendete man Thermo-Kiefernholz; wärmebehandeltes Holz, das resistent gegen Fäulnis und Pilzbefall ist. Die Entscheidung für ein derartiges Holzdach, das direkt in die Galerie übergeht, ist laut dem Studio eine „Hommage und Neuinterpretation der – für das Aézcoa-Tal typischen – hölzernen Dachschindeln. Dach und Galerie verschmelzen so zu einem einzigen Element, das dem Projekt eine eigene Identität verleiht.“
Natürlich nachhaltig
„Natürliche Beleuchtung und die Anordnung der Fenster gehören zu den wichtigsten Parametern, die berücksichtigt wurden, um Lebensqualität zu gewährleisten“, so Rodrigo Núñez Arquitectos weiter. Dazu zählen auch die Außenbereiche auf den Galerien, die zusätzlich „eine Verbindung mit der Landschaft in der Umgebung ermöglichen.“
Nicht verwunderlich, dass im Gesamtprojekt auch größter Wert auf Nachhaltigkeit liegt. „4 VPO erfüllt nicht nur Passivhaus-Qualitätskriterien, sondern auch jene auf ökologischer Ebene (Verringerung des CO₂ -Fußabdrucks, Aufrechterhaltung des Wasserkreislaufs, Förderung der Artenvielfalt), sozialer (Verbesserung der Lebens- und Wohnqualität, Verknüpfung mit der Historie des Ortes) sowie wirtschaftlicher Ebene (Förderung der Kreislaufwirtschaft)“, erklären die Architekturbüros. „Was nicht bedeutet, dass das Projekt nicht auch kommerziell erfolgreich sein kann. Und wird.“
Text: Michi Reichelt
Bilder: Alberto Amores