Es war einmal ein schlichtes Gasthaus in Tirol. Doch das ist lange her. Heutet bietet dieses geschichtsträchtige Haus als „Hotel Mohr Life Resort“ der nahen Zugspitze eine spektakuläre Bühne.
Eines ist gewiss: An die genaue Geschichte, warum Johann Georg Jäger, Gerichtsanwalt und Postmeister zu Lermoos, auf die Idee kam, ein Gasthaus in seinem Heimatort zu errichten, kann sich niemand mehr erinnern. Die Sache liegt schließlich schon über 200 Jahre zurück. Doch sind alte Urkunden, Bilder und Schriften erhalten, die Einblick gewähren. In längst vergangene Tage. In andere Welten. Und in eine Zeit, in der man von Spa und Wellness definitiv noch nichts gehört hat.
Im Zeichen der Mohren
Stattdessen kann man in der alten Hauschronik darüber lesen, dass das Gasthaus ursprünglich „Beim Neuwirt“ hieß, dann zu „Beim Anwalt“ umbenannt wurde. Zitat aus eben diesen Niederschriften: „… bis sich um 1850 der Name ,Drei Mohren’ durchsetzt. In dieser Zeit werden einige Betriebe im österreichischen und süddeutschen Raum ,Zum Mohren’ oder ,Zu den Drei Mohren’ genannt. Der Name ist religiösen Ursprungs und bezieht sich auf die drei Weisen aus dem Morgenland.“
Heute ist zumindest der ursprüngliche Name des einstigen Gasthauses noch teilweise erhalten – sonst blieb im seit 1998 unter dem Namen „Mohr Life Resort“ und inzwischen als Hotel geführtem Haus buchstäblich kein Stein auf dem anderen. Im Zeitraffer gesprochen: Der Gründerfamilie gingen die Erben aus. Ein Schweizer Kaufmann namens Dieter Künster nutzte die Gunst der Stunde und übergab die Agenden eben 1998 an seine älteste Tochter Tina.
Die Zugspitze vor Augen
Diese bewies alsbald ein Gespür für Trends und geschäftliches Geschick: Unter dem Motto „Kontrast der Elemente – für ein intensives Lebensgefühl“ stellte sie die gesamte Anlage auf moderne und vor allem architektonisch außergewöhnliche Beine. Und ist damit offenbar noch lange nicht fertig: Kürzlich eröffnete sie direkt unter der noblen Hotelanlage eine Wellnessoase, über die es schon heute fast so viel zu erzählen gibt, wie über das alte Traditionshaus selbst.
Aber fangen wir von vorne an. Schon nach dem ersten Briefing der Architekten von noa* – network of architecture war diesen klar: Der Wellnessbereich soll mit den klassischen Vorstellungen eines Spas aufräumen. Allein schon deshalb, weil das geplante Objekt mit der beeindruckenden Umgebung kommunizieren können sollte. Mit dem wunderbar weiten Tal des Ehrwalder Beckens und vor allem mit der imposanten und 3000 Meter hohen Zugspitze nämlich!
Deshalb beschloss Architekt Christian Rottensteiner ein Konzept zu realisieren, das mit eben dieser Landschaft in einen starken Dialog tritt. Aber am besten, er erklärt das selbst – Vorhang auf: „Die Bergkette mit ihrer majestätischen Präsenz und Energie wurde natürlich zum Brennpunkt des Projekts. Vor allem die Zugspitze selbst ist als höchster Berg Deutschlands aufgrund ihrer Schönheit und Stärke zweifellos das inspirierende Element und indirekt der Protagonist des Bauvorhabens“, erzählt er. „Die neue Wellnessoase ist vergleichbar mit einer Spielfläche eines Theaters, von dem sich das außergewöhnliche Schauspiel der Natur bewundern lässt.“
Sensorische Wahrnehmung erweitern
In seinen Augen bestand die architektonische Herausforderung vorwiegend darin, Räume zu kreieren, welche die sensorischen Wahrnehmungen erweitern. O-Ton: „Ein Ort, der den Besuchern Wohlbefinden und neue Emotionen vermitteln kann.“
Das heißt zusammengefasst: Nicht der Bau selbst sollte in den Mittelpunkt gestellt werden, sondern vielmehr Zugspitze und umgebender Natur eine bauliche Bühne bieten und gleichzeitig deren Eindruck auf die Besucher wirken lassen. Also besticht das Objekt eben durch seine zurückhaltende und leichte Architektur, die aus der Zusammenführung einfacher geometrischer Elemente resultiert.
Die Natur im Mittelpunkt
Im Klartext: Schlichte Betonrahmen bilden auf zwei Ebenen das konstruktive Gefüge des Gebäudes. Darüber hinaus führt die Verwendung einer reflektierenden Glasoberfläche zu einem unerwarteten und eindrucksvollen Ergebnis. Die Baukörper selbst treten somit kaum in Erscheinung und werden zu einer Art Leinwand, auf der die gigantische Silhouette der Zugspitze inszeniert wird.
Mehr noch: Der spektakuläre Pool, der die Glasfront des Spa über seine gesamte Länge säumt, verdoppelt das Bild des Berges. Ein Spiel mit Referenzen und chromatischen Reflexionen von großer Wirkungskraft ist das Ergebnis.
Während die Struktur nach außen hin also ein streng lineares Schema aufweist, verändert sie nach innen gerichtet ihren Charakter. In den Räumen nimmt der Bau organische, weiche und umhüllende Formen an. „Der Unterschied in der Sprache zwischen Innen und Außen soll dem Projekt eine besondere Spannung verleihen, die es ästhetisch und formal bereichert“, wie es in der offiziellen Beschreibung heißt.
Bühnen der Entspannung
Doch eben um der Natur ihren Raum zu geben, wurden die einzelnen Entspannungsbereiche kleinen Theaterbühnen nachempfunden, die auf den Berg gerichtet sind. Darunter kann man sich in Wahrheit intime Terrassen vorstellen, die jeweils über zwei Liegemöglichkeiten verfügen. Logenplätze für die Natur, sozusagen. Erste Reihe fußfrei.
Außerdem kann der Wellness-Fan durch unterschiedliche Atmosphären wandeln. Räume mit doppelter Raumhöhe und Schaukeln, die von der Decke baumeln wechseln sich mit Liegeinseln ab. Diese wiederum gehen in geschlossene Lounges für mehr Privatsphäre und Ruhe über.
Nur logisch, dass sich die Außenbereiche und insbesondere der Pool als Verlängerung der Grundidee verstehen: Sechs Insel-Boxen sind im Wasserbecken verteilt und führen die geometrische Struktur des dahinterliegenden Gebäudes weiter. „Hier entmaterialisiert sich die Gliederung und verliert an Dichte, um einen möglichst unverstellten Blick auf die Landschaft freizugeben“, so die Architekten. Dadurch wird eine luxuriöse Badewanne zur opulenten Bühne, auf der die berühmte Zugspitze und ihr natürliches Umfeld die Hauptrollen spielen.
Somit ist nun auch noch eines gewiss: Die Chronik des Hauses wird in weiteren 200 Jahren noch spannender zu lesen sein als heute. Und unter anderem von einem wahren Spa-radies am Fuße der Zugspitze berichten.
Text: Johannes Stühlinger
Fotos: Alex Filz
Architektur: noa network