Ein „Powerhouse” für Studenten
Als Re-Use-Projekt dient ein stillgelegtes Kraftwerk im US-Bundesstaat Wisconsin nun sportbegeisterten Studenten als Wohnheim.
Manche Architekturkritiker meinen ja, bei der Umnutzung älterer Industriegebäude könne man kaum etwas falsch machen. Ohnehin gilt Abriss meist nur als Ultima Ratio – dann schon lieber mit einem klugen Konzept Gebäude-Altsubstanz erhalten und einer neuen Bestimmung zuführen.
Im Fall des ursprünglich Blackhawk Generating Station genannten Kraftwerks handelt es sich zudem um ein denkmalgeschütztes Gebäude. Und wenn hinter dem Umbau das renommierte, von Jeanne Gang geleitete Architekturbüro Studio Gang steht, ist die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit garantiert. Ein weiteres aufsehenerregendes Projekt, das Studio Gang vor kurzem in den USA realisiert hat, ist der Mira Tower in San Francisco.
Ganz auf Wellness und Fitness getrimmt
Die großen Räume, der Bau mit seiner massiven Struktur, die polierten Böden machen schon einiges her. Aber das Studentenwohnheim für das Beloit College in Wisconsin wartet mit Außergewöhnlichem auf: Wer kann schon auf einer Laufbahn trainieren, die sich mitten durch das Gebäude schlängelt?
Das Kraftwerk wurde 1913 von Wisconsin Power and Light erbaut. 1927 und erneut Mitte der 1940er Jahre erfolgten Erweiterungen, bevor es 2010 stillgelegt wurde. Die Arbeiten für die Umnutzung begannen 2017 mit dem Abtransport von Tausenden von Tonnen an Geräten. Sie wurden einst zur Stromerzeugung verwendet.
Das zwischen dem Campus des Liberal Arts College und dem Rock River in Beloit gelegene Wohnheim ist komplett auf Fitness getrimmt: Es ist nun um ein Fitnesscenter, eine Sporthalle mit einer dreibahnigen Laufbahn sowie einem achtbahnigen Wettkampf-Schwimmbad erweitert.
Transluzentes Sportzentrum
Studio Gang hat bei dem Projekt für das Beloit College die ursprünglichen Strukturen aus rotem und gelbem Ziegelstein sowie aus Beton erhalten und modernisiert. Das „Powerhouse”, wie es passenderweise heißt, kann nun auch über eine Fußgängerbrücke betreten werden.
Es ist in drei Baukörper unterteilt, die die drei wichtigsten Einrichtungen enthält: das Schwimmbad, die Laufbahn und den eigentlichen Sportplatz.
Ganz neu hinzugekommen ist das Field House. Das ist das rund 1.600 Quadratmeter große, lichtdurchlässige Sportzentrum an der Nordseite aus Polycarbonatwänden und Stahlrahmen. Zwischen den Paneelen ist Raum für schmale, lange Fenster. Nachts, bei künstlicher Beleuchtung erstrahlt so das gesamte Gebäude.
Laufend Einblick in alle Epochen des Gebäudes
Die spektakuläre hängende, 175 Meter lange, dreispurige Laufbahn windet sich gleich einer Schleife durch alle Epochen des Gebäudes. Sie reicht teils in das Field House und das Schwimmbad hinein.
Neben den Sporteinrichtungen bietet das Powerhouse den Studentinnen und Studenten auch eine Reihe von Freizeiteinrichtungen. Dazu gehören ein Café, Lounges, ein Konferenzzentrum, ein Hörsaal und ein Theater.
Die neue Fußgängerbrücke durchbricht das Mauerwerk und verbindet das Powerhouse mit dem bereits bestehenden Campus. So ist das College auch an die Stadt und die angrenzenden Flussuferwege und Parks am Rock River angebunden. Das Gemeindeleben insgesamt wird so dynamischer und lebendiger.
Flusswasser zum Heizen und Kühlen
Im Gebäudeinneren würdigen die Farbpalette und die Stilelemente wie die Stahlkonstruktionen und das belassene verwitterte Mauerwerk die Geschichte des Gebäudes.
Statt normaler Heizkörper sind im Mauerwerk wassergespeiste Strahlungspaneele integriert. Hier wird die unmittelbare Lage am Fluss genutzt, um das Wasser zur Steuerung der Gebäudetemperatur, zum Heizen und Kühlen zu verwenden. Gleichzeitig werde so bei ausgezeichneter Luftqualität der Gesamtenergieverbrauch erheblich reduziert, heißt es bei Studio Gang.
Mit dem WAFX-Preis ausgezeichnet
Das Beloit College Powerhouse wurde mit dem WAFX-Preis des World Architecture Festival ausgezeichnet. Diese Kategorie von Awards würdigt Zukunftsprojekte, bei denen sich Architekten wichtiger ökologischer und gesellschaftlicher Herausforderungen stellen. Es geht um die Themenbereiche Klimawandel, Energieeinsparung und Kohlenstoffemissionen, Wasserverschwendung und -knappheit, alternde Bevölkerung und Gesundheitsprobleme, wiederverwendbare Materialien, intelligente Städte, Gebäudetechnologie, kulturelle Identität, Ethik und Macht sowie Gerechtigkeit.
Text: Linda Benkö
Fotos: Studio Gang / Tom Harris