Ein Juwel aus Holz
Eine neue Multifunktions-Arena soll Vancouvers Veranstaltungsszene bereichern. Das PNE Amphitheatre erfüllt mit seiner rekordverdächtigen Dachkonstruktion aus lokalem Holz aber auch einen wichtigen politischen Auftrag.
Denkt man an Amphitheater, denkt man das Kolosseum in Rom, die Arena di Verona oder die Pulska Arena im kroatischen Pula. Die Pacific National Exhibition (PNE) in der Hauptstadt der kanadischen Provinz British Columbia denkt ebenfalls groß: Nicht weniger als „ein Juwel in Vancouvers Krone spektakulärer Veranstaltungsorte“ soll das planmäßig 2026 eröffnete Gebäude werden, verspricht Shelly Forst.
Sie leitet als Präsidentin und CEO die Geschicke der städtischen, 1910 gegründeten Non-Profit-Organisation, die jährlich mehr als drei Millionen Besucher bei zahlreichen Kultur-, Sport- und Familienevents begrüßen darf: „Das neue Holzdach ist nicht nur beeindruckend schön, es dient auch als Schallschutzwand, um die Lärmbelästigung in umliegenden Gemeinden zu verringern. Ich glaube, dass es in ganz Kanada keinen vergleichbaren Ort geben wird.“
Unter der Wärme des Holzes
Die Bauarbeiten sollen 2024 beginnen und zwei Jahre dauern. „Wir wollen ein einzigartiges Erlebnis für das Publikum und die Künstler schaffen“, sagt Venelin Kokalov, Konstruktionsleiter und hauptverantwortlicher Architekt von Revery Architecture, die mit der Planung des Projekts betraut wurden. „Unsere Idee war eine elegante Struktur, die das Amphitheater umhüllt und sich an drei Stützpunkten anmutig in der Landschaft verankert. Diese Geste rahmt den Blick auf die Berge der North Shore Mountains und die umliegende grüne Landschaft ein. Sie schafft Transparenz auf menschlicher Ebene und eine intime Atmosphäre unter der Wärme des Holzes.“
Errichtet wird die Multifunktions-Arena mit ihrer für antike Amphitheater typisch gerundeten Anordnung nach oben ansteigender Sitzreihen im Hastings Park, einer öffentlichen, 62 Hektar große Parkanlage im Nordosten Vancouvers. Hier betreibt die PNE seit 1929 jeden Sommer einen großen Vergnügungspark, Playland, und weitere, stets erneuerte und erweiterte Einrichtungen; 1964 gaben die Beatles ihr erstes Konzert auf kanadischem Boden in PNEs – mittlerweile geschliffenen – Empire Stadium.
Unsere Idee war eine elegante Struktur, die das Amphitheater umhüllt und sich an drei Stützpunkten anmutig in der Landschaft verankert.
Venelin Kokalov, Konstruktionsleiter
PNE Amphitheatre: Aus alt mach neu
Das neue PNE Amphitheatre ersetzt eine ähnliche Open-Air-Location, die in den 1960ern an gleicher Stelle aus Beton errichtet worden war. Es verspricht, „dank einer anpassungsfähigen Infrastruktur mit freiliegendem Rasen ganzjährig ein Weltklasse-Angebot für Feierlichkeiten aller Art, Kunst und Kultur“ mit einer Kapazität von 1.500 bis 10.000 Besuchern zu bieten. Darüber hinaus sollen „soziale Kontakte forciert und die lokale Gemeinschaft gestärkt werden.“
Mit seinen Plänen liefert Revery Architecture aber auch gleich eine neue Vision für die angrenzende Festival Plaza: Sie soll dank bequemer Sitzgelegenheiten und moderner Infrastruktur ein neues urbanes Herzstück des Parks bilden. Der Hastings Creek, ein kleiner Bach in der Parkanlage, erhält eine neue Tageslichtbeleuchtung und soll mit ausgedehnten Uferzonen „eine sanfte Brücke zwischen der natürlichen Ökologie und der sozialen Ökologie der Veranstaltungsorte schlagen.“ Wichtiger Nachsatz in Zeiten wie diesen: Die vorhandenen alten Bäume bleiben erhalten, eine neue Regenwasserauffanganlage erfüllt städtische Wassermanagement-Ziele.
Im Sinne des Klimanotfallplans
Die geplanten Kosten belaufen sich auf 65 Millionen kanadische Dollar, umgerechnet 44,2 Millionen Euro. Hinter dem Neubau – der sowohl eine Passivhaus-, als auch eine LEED-Gold-Zertifizierung anstrebt – stecken nicht zuletzt politische Bestrebungen, denn Kanadas drittgrößte Metropolregion (mit 2,5 Millionen Einwohnern) will laut eigenen Angaben mithilfe eines breit gefächerten Klimanotfall-Aktionsplans ihren CO2-Ausstoß bis 2030 um 50 Prozent minimieren und bis 2050 überhaupt kohlenstoffneutral agieren.
Erreicht werden sollen die Einsparungen von schätzungsweise 521 Tonnen CO2 pro Jahr nicht zuletzt dank der spektakulären Holzbogen-Dachkonstruktion mit sechs Tonnengewölben und einer Spannweite von 105 Metern, sagt Architekt Venelin Kokalov: „Die Verwendung von gebogenem Brettschichtholz und Brettsperrholz aus lokaler Produktion reduziert den Kohlenstoffausstoß im Vergleich zu Stahl- oder Betonalternativen erheblich und bietet außerdem eine bessere Schallabsorption als Zeltdächer mit Gewebestrukturen.“
Schwungvoll auf Pariser Spuren
Mit der Dachkonstruktion wurde das auf Massivholzkonstruktionen spezialisierte Unternehmen Fast + Epp Structural Engineers, das seinen Hauptsitz in Vancouver hat, betraut. Die Pläne für die Massivholzkonstruktion, die weltweit eine der größten ihrer Art sein ist, folgen übrigens einem bekannten Vorbild, sagt Robert Jackson, Partner bei Fast + Epp: „Inspiriert wurde das PNE Amphitheatre vom 1958 eröffneten Zentrum der neuen Industrien und Technologien (CNIT) in Paris – dessen Hauptbögen sogar eine Weite von 218 Meter überspannen.“
Die PNE erwartet sich vom neuen Amphitheater, das zu einer der spektakulärsten Locations an der nordamerikanischen Westküste werden soll, jedenfalls einen merkbaren Boost – und zwar künstlerisch, wie auch ökonomisch: Mehr als 75 Veranstaltungen pro Jahr sollen mindestens 340.000 Besucher anlocken und mit zusätzlichem Personal von mehr als tausend Mitarbeitern einen Jahresumsatz von 200 Millionen kanadischen Dollar (136 Millionen Euro) generieren. Und wer weiß, vielleicht geht einer der zukünftigen Acts im PNE Amphitheatre als neue Beatles in die Geschichte ein.
Text: Hannes Kropik
Bilder: PNE