Erhabene Lichtung im Wald
Weil ein betuchter Kapstädter für seinen Ausblick keine Bäume schlägern lassen wollte, ließ er eben sein Haus auf Baumkronenhöhe bauen. Doch das so genannten „Paarman Treehouse“ kann noch mehr als bloß Fernblick!
Sie schießen derzeit wie die Schwammerl aus dem Boden. Die Baumhäuser. Doch auch wenn sie allesamt erhabene Wohneinheiten darstellen, sind die jeweiligen Motive der unterschiedlichen Bau(m)herrn dann doch immer anders gelagert.
Während die einen einfach Raum für zahlende Gäste schaffen wollen, erheben andere den Anspruch auf natürliche Romantik. Architekten wie der Südtiroler Peter Pichler wiederum versuchen mit Baumhäusern der Natur näher zu kommen.
Paarman Treehouse für mehr Weitblick
Der Auftraggeber des südafrikanischen Studios Malan Vorster wiederum hatte bei der Entwicklung seines „Paarman Treehouse“ gänzlich anderes im Sinn: Er wollte schlichtweg sein im Kapstädter Wald auf einem Hang gelegenes Grundstück so bebauen, dass er die Stadt überblicken konnte. Und das eben möglichst ohne die vielen alten Bäume, die ihm die Sicht verstellten, zu roden.
Gewiss ein löblicher Zugang, zumal das Entfernen der Bäume auch rechtlich nicht ganz einfach gewesen wäre. Aber das ist eine andere Geschichte. Tatsache ist, dass Malan Vorster das „Paarman Treehouse“ relativ frei konzipieren durften, solange am Ende die Aussicht maximiert wurde. Jedenfalls sollten Wohn-und Schlafzimmer integriert sein und ein Gefühl von Gemütlichkeit wollte der Auftraggeber in seinen zukünftigen Räumen ebenfalls verspüren.
Ab in die Baumkronen
Somit war klar: Das Haus musste ebenso hoch wie die umgebenden Bäume wachsen und die Schlafzimmer am besten im oberen Teil des Hauses angesiedelt sein, um im gemütlichsten Moment den romantischsten Ausblick auf Kapstadt zu ermöglichen.
Und so stöberte man in den Philosophien namhafter Architekten, um Anleihe zu nehmen. Daraus machen Malan Vorsters auch gar kein Hehl, vielmehr verweisen sie in ihrer offiziellen Projektbeschreibung sogar darauf.
Zitat aus der Pressemeldung: „Inspiriert wurde das Projekt von Horace Gifford Holzhäuschen und von Kengo Kumas Vorstellungen einer Arbeit mit der Leere und dem Zwischenraum.“
Kurz zur Erläuterung: Horace Gifford wurde in den 1960er- und 1970er-Jahren zur Ikone, weil er den reichen New Yorkern auf Fire Island exponierte Wochenendvillen hinstellte, die allesamt mit massiven Holzelementen Eindruck machten.
Der Japaner Kengo Kuma wiederum ist berühmt dafür, Räume als sich selbst wirken zu lassen und vor allem Gebäude zu schaffen, denen eine besondere Kraft innewohnt. Meditationshäuser zum Beispiel.
Der Einfluss zweier Herrn
Wie aber haben diese beiden Herren nun auf dieses 117-Quadratmeter-Projekt Einfluss genommen? Vergegenwärtigen wir uns erst einmal den Grundriss des Hauses. Dieser besteht, vereinfacht ausgedrückt, aus einem Rechteck im Zentrum um das sich vier runde Turmbauten gruppieren.
Die Gesamte Formation wiederum steht auf Stelzen, die auch im Inneren der Hauses in Form von Schienen, Trägern oder Verbindungselementen an die Oberfläche treten. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, von fast jedem Punkt innerhalb des Hauses einen optimierten Weitblick genießen zu können.
Die Blickwinkel wurden so vervielfacht und die stelzenartige aus Zedernholz gebaute Erscheinung wirkt in der Tat ein wenig wie die abgespeckte und somit weit weniger massive Form eines Horace Gifford-Strandholzhauses.
Gleichzeitig nimmt dieser ungewöhnliche Grundriss auch auf die von Kengo Kuma propagierte Offenheit von Räumen Bezug.
Die Quadratur des Kreises
Schließlich würden hier die beiden geometrischen Formen – das Quadrat und der Kreis – im Duett eine besonders offene Situation generieren, wie die Architekten betonen: „Ein Quadrat ist richtungsweisend, ein Kreis nicht. Das Quadrat bezieht sich auf die Nord/Süd-Grundrissgeometrie und die vier Kreise auf die organische und natürliche Umgebung.“ Es scheint, als wollte man die jeweiligen Vorteile der beiden Formen in eine einzige gießen.
Paarman Treehouse als Lichtung im Wald
Und das mit dem erklärten Ziel, möglichst viele Einschnitte für Fenster, Balkone und Terrassen möglich zu machen. „Wir wollten die Lichtung, die sonst am Waldboden ist, in den Baumkronen transferieren. Eine Lichtung in den Baumkronen“, sagen die Architekten.
Nun beherbergt diese „Lichtung im Wald“ auf der ersten Ebene den Wohnraum, das Schlafzimmer und die Dachterrasse liegen darüber. Die halbrunden Erker wiederum beherbergen auf der Wohnebene eine Terrasse, eine Essnische und eine Treppe. Auf der Schlafebene ein Bad und auf der Dachterrassenebene einen integrierten Leseraum.
Von all diesen Ecken und Winkeln ist ein herrlicher Blick auf das schöne Kapstadt sichergestellt. Und das macht dieses Baumhaus freilich wiederum einzigartig. Was aber „Paarman Treehouse“ mit all seinen Artverwandten wiederum eint, ist die Vorstellung der Architekten, das künstliche Objekt möglichst zeitnah mit der Natur verschmelzen zu lassen.
Eben deshalb wurden sämtliche verwendete Materialien – wie Zedernholz, Cortenstahl und Messing – nicht weiter behandelt. Damit die einzelnen Elemente unter dem Einfluss von Wind, Wetter und Sonne möglichst rasch verwittern mögen und im Laufe der Zeit mit den umliegenden Bäumen immer besser harmonieren würden.
Schließlich wollten die Auftraggeber von „Paarman Treehouse“ nicht bloß Weitblick. Sondern auch Privatsphäre. Diese wäre in ein paar Metern Höhe aber vermutlich so oder so gegeben …
Text: Johannes Stühlinger
Bilder: Malan Vorster