Die neue Zentralbibliothek von Helsinki ist bei Einwohnern wie Besuchern gleichermaßen beliebt. Kein Wunder: Das multifunktionale Bauwerk ist sehr ansprechend gestaltet – Holzfassade und Wendeltreppe in Form einer Doppelhelix inklusive.
Oodi, die neue Zentralbibliothek von Helsinki, hat sich bei Einwohnern und Besuchern als äußerst beliebt erwiesen. Bereits im März 2019 begrüßte das im Dezember 2018 eröffnete Gebäude seinen einmillionsten Besucher. An den starken Tagen beträgt die Frequenz mehr als 20.000 Menschen.
Gemeindezentrum für alle
Die Leute kommen nach Oodi nicht nur um Bücher auszuleihen oder zurückzugeben. Sie verbringen dort auch einfach nur gern Zeit. Die „Urbane Werkstatt” ist ständig überfüllt und die Tagungsräume und Säle, die man anmieten kann, sind ausgebucht.
Die neue Zentralbibliothek von Helsinki erfüllt perfekt seine Funktion als Gemeindezentrum, das allen offen steht. Das Gebäude bietet auch eine der besten Terrassen der Stadt, um die Sommersonne zu genießen.
Darüber hinaus hat Oodi Preise eingeheimst oder befindet sich in der engeren Auswahl für internationale Awards und hat nicht zuletzt deshalb weltweite Bekanntheit erlangt: Das Architekturbüro ALA Architects freut sich etwa darüber, dass Oodi zum Jury- und Publikumssieger in der Kategorie Gebäude über 1.000 m² bei den AZ Awards, die vom US-amerikanischen Magazin für zeitgenössisches Design und Architekture „Azure“ für Projekte weltweit jährlich vergeben werden, gekürt wurde. Oder es in der engeren Auswahl für die diesjährigen WAF Awards als „Architizer A +” und für den Mies van der Rohe Preis ist. Und in der Longlist für die Dezeen Awards zu finden ist. In Finnland hat Oodi die Auszeichnung Stahlkonstruktion des Jahres 2018 erhalten.
„Bewohnte Brücke”
Das Raumkonzept in kurzen Worten: Oodi ist als „bewohnte Brücke” zu verstehen, die sich über eine Spannweite von 100 Metern über dem offenen Erdgeschoss zieht. Die Konstruktion aus Stahlfachwerken und -trägern wird von zwei massiven Stahlbögen getragen, die mit einer Stahlbetonplatte zusammengespannt sind.
Diese Lösung hat die säulenfreien Innenräume und den eventuellen, künftigen Bau eines Straßentunnels unter dem Gebäude ermöglicht. Sekundäre Stahlträger stützen den freitragenden Balkon und die Dachüberdachung asymmetrisch von der Bogenkonstruktion ab.
Oodi wurde unter Verwendung lokaler Materialien und unter Berücksichtigung der lokalen Klimabedingungen gebaut. Die Holzfassaden bestehen aus vorgefertigten Fichtenmodulen. Die komplexe gekrümmte Geometrie wurde mithilfe algorithmischer, parametrischer 3D-Entwurfsmethoden entworfen und hergestellt. Die Glasfassaden lassen viel Tageslicht herein. Der Energieverbrauch entspricht dem eines Fast-Null-Energiegebäudes. Die geschätzte Lebensdauer des Bauwerks: 150 Jahre.
Neue Ära der Bibliotheken
Das Gebäude im Herzen von Helsinki, nur wenige Gehminuten vom Hauptbahnhof entfernt, besteht fast ausschließlich aus öffentlichem Raum und bietet eine große Auswahl an – großteils kostenlosen – Services.
Das Design unterteilt die Funktionen des Gebäudes in drei Ebenen: ein aktives Erdgeschoss, ein ruhiges Obergeschoss und einen dazwischenliegenden Bereich, der spezifischere Funktionen enthält: Neben der Bibliothek, Café und Restaurant beherbergt Oodi auch „Helsinki Info”, das Informationszentrum der Stadt, „Europe Experience”, das Zentrum für EU-bezogene Informationen, und das Kino Regina des Nationalen Audiovisuellen Instituts sowie einen Spielplatz.
Auflösung der Grenzen
Die Bauweise löst die Grenze zwischen Innen- und Außenbereich auf. So setzt sich etwa der Kansalaistori-Platz nahtlos unter dem Eingangsdach und in das Gebäude fort. Die Holzfassade wölbt sich als brückenartige Struktur über das Erdgeschoss. Der sich so ergebende säulenfreie Lobbybereich eignet sich für alle Arten von Veranstaltungen. Die Multizweckhalle kann sogar als Verlängerung der Lobby eingesetzt werden und die Eingangsüberdachung ermöglicht die Ausdehnung der Gebäudefunktionen auf den Platz.
Das mittlere Stockwerk besteht aus flexibel nutzbaren Räumen. Es gibt Platz für Gruppenarbeitsbereiche, Aufnahmestudios, Schnitträume und die städtische Werkstatt ist mit Geräten wie 3D-Druckern, Laserschneidern, Lötkolben und Nähmaschinen bestückt, die den Besuchern zur Verfügung stehen.
In der obersten Etage treffen die besten Eigenschaften einer herkömmlichen Bibliothek auf die innovativsten Technologien. Der offene Raum ist mit einer wolkenartig gewellten Decke versehen. Die ruhige Atmosphäre lädt zum Lesen, Lernen und Entspannen ein. Raumhohe Fenster sowie die große Terrasse auf dem Vordach geben den Blick auf das unverbaute Stadtzentrum frei.
Die Büro- und Logistikflächen in den öffentlichen Etagen sind auf ein Minimum beschränkt, um den Bibliotheksbereich zu maximieren. Die Verwaltungs- und Aufbewahrungsfunktionen der Helsinki Public Library verbleiben in der früheren Hauptbibliothek im nahe gelegenen Stadtteil Pasila.
Der anonyme, offene, internationale, zweistufige Architekturwettbewerb für Oodi startete im Januar 2012 und zog 544 Einsendungen aus aller Welt an. Den Sieg trug das finnische Büro ALA Architects davon. Die Bauarbeiten begannen 2015 und das Gebäude wurde im Dezember 2018 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Text: Linda Benkö
Fotos: Tuomas Uusheimo, Iwan Baan