Die Kunst, ein neues Zuhause zu finden
150 Jahre lang suchte das Museum für Ethnografie in Budapest nach einer langfristigen Bleibe. Napur Architects haben diese nun in Form einer visionären und gleichzeitig ungewöhnlichen Konstruktion erschaffen.
Am Rande des wohl grünsten Fleckens der ungarischen Hauptstadt Budapest – auch als Stadtpark unter dem Namen Városliget bekannt – steht eine überdimensional große Skateboard-Rampe. Skateboarder werden dort allerdings nicht gesichtet. Vielmehr handelt es sich hierbei um das neue Museum für Ethnografie, das im Zuge des großen Liget Budapest Bauprojekts entworfen und nun endlich eröffnet wurde.
Bevor wir diese außergewöhnliche Architektur aber bewundern, sollte zunächst einmal geklärt werden was “Ethnografie” überhaupt ist.
Museum für Ethnografie: Was ist das?
Sie ist vor allem unter einem anderen Namen bekannt: Völkerkunde. Eine Wissenschaft, die sich mit den Merkmalen und Verhaltensweisen verschiedener Völker und Kulturen befasst. Nun hat also das Museum für Ethnografie, das in der Vergangenheit fünf Mal den Standort wechseln musste, endlich ein endgültiges Heim gefunden. Und erhält somit auch die Möglichkeit, die gesamte Sammlung von über 250.000 Ausstellungsstücken zu präsentieren.
Zurück zu dieser riesigen Skateboard-Rampe. Diese soll als eine Art Tor fungieren, das den Weg von der Stadt aus in den grünen Park bereitet. Nur statt unten drunter durchzulaufen, kann besagtes Tor überschritten werden. Dazu ist der gesamte mittlere Teil – um genau zu sein 60 Prozent – des Museums unterirdisch angelegt, was auch das ungewöhnliche Rampen-Design erklärt.
Teilung in zwei Welten
Die geschwungene Form der Konstruktion soll darüberhinaus als Anpassung an die Umgebung verstanden werden. Die beiden Enden der Rampe sind in mehrere Etagen unterteilt, die einerseits als Museumsbereich und andererseits als anpassungsfähige Gemeinschaftsräume dienen. „Die physische und visuelle Teilung des Gebäudes drückt die Dualität der Grundfunktion aus und spiegelt auch die umgebende Stadtstruktur wider,” erklären die Architekten.
Auch in punkto Nachhaltigkeit kann das Gebäude sich beweisen: Oben an der Erdoberfläche angelangt, wird plötzlich alles grün. Die 7.300 Quadratmeter Außenfläche sind mit verschiedensten Sträuchern und Pflanzen versehen.
Außerdem wird das Museum von Glas eingefasst, wobei dieses wiederum von einem Metallgitter umgeben ist, auf dem sich ethnologische Muster in zeitgenössischer Neuinterpretation erkennen lassen.
Analoge Pixel als Sonnenschirm
Diese bestehen aus fast einer halben Millionen analoge Pixel, die mit Hilfe eines Spezialroboters auf dem laserbeschnittenen Aluminiumgitter platziert wurden. Dies hat optische, aber auch nachhaltige Hintergründe. Die Ausschnitte sorgen für Lichtdurchlässigkeit.
Gleichzeitig dient das Gitter als eine Art “Vorhang” des Gebäudes, schützt dieses vor Sonneneinstrahlungen und verhindert so eine mögliche Aufwärmung des Museums – ergo trägt es zu einer höheren Energieeffizienz bei.
Zugegeben, auf den ersten Blick würde man niemals erahnen, dass in dieser futuristisch aussehenden Skateboard-Rampe die uralten Artefakte der Völkerkunde beherbergt werden. Vielleicht ist es viel mehr die perfekte Kombination von Tradition, Moderne und den Menschen, die das neue Museum für Ethnografie so besonders machen.
Beste Aussicht auf Budapest
Es ist ein Ort, der zum Verweilen einlädt, und wo verschiedenste Menschen – ganz gleich ob Spaziergänger, Jogger, Museumsbesucher, oder einfach neugierige Passanten – aufeinandertreffen.
Zahlreiche Sitzmöglichkeiten auf den Grünflächen und Bänken ermöglichen es, das Idyll dieser Konstruktion zu genießen. Treppen, die die beiden Rampen emporführen, versprechen eine spektakuläre Aussicht über das ganze Gelände.
Fazit: Napur Architects gelang es, ein außergewöhnliches und zeitgenössisches Museumsgebäude zu entwerfen. Das unterstreichen zahlreiche Preise und Auszeichnungen, wie etwa der Titel als „World’s Best Architecture“.
Endlich zuhause?
Hervorzuheben ist vor allem der neue Standort des Museums: Bereits 1896 wurde die Ausstellung erstmals hier im Városliget der Öffentlichkeit vorgestellt und war jahrelang in der nahegelegenen Industriehalle zu sehen. Wenn sich das nicht nach dem perfekten Heimkommen anhört …
Text: Katarina Andraschko
Bilder: Gyorgy Palko