Ein Falke für die Falken
Die Heimstätte des Football-Teams der Atlanta Falcons hebt Stadion-Architektur im wahrsten Sinne in höhere Sphären: Das Architekturbüro HOK entwarf das Mercedes-Benz Stadium in Anlehnung an einen Falken.
Seit 1936 gehen im Berliner Olympiastadion Sportveranstaltungen über die Bühne. Im Ernst-Happel-Stadion in Wien wird sogar bereits seit 1931 öffentlich gesportelt. In den USA hingegen kann man über derartige Halbwertszeiten großer Sportstätten nur staunen. So existierte der Georgia Dome in Atlanta gerade einmal 25 Jahre, bevor er einer neuen Arena weichen musste: Dem Mercedes-Benz Stadium.
Multifunktional
Das Architekturbüro HOK (vormals Hellmuth, Obata + Kassabaum) mit Hauptsitz in St. Louis, Missouri, entwarf das neue Stadion des Football-Teams der Atlanta Falcons.
Die Multifunktionsarena mit schließbarem Dach, in der auch der Fußballklub Atlanta United seine Heimspiele austrägt, bietet bei Sportevents bis zu 75.000 Zuschauerinnen und Zuschauern Platz. Konzerte können knapp 60.000 Menschen live im Mercedes-Benz Stadium erleben. Taylor Swift, Coldplay, Elton John, Beyoncé & Co. traten hier bereits auf.
Gut über-dacht
„Das Design ist eine Neuinterpretation dessen, was ein Stadion sein kann“, erklärte HOK zu seinem Entwurf. Es wurde ein Gebäude geschaffen, „das aussieht und funktioniert wie kein anderes.“ Der Besuch einer Live-Veranstaltung werde dadurch zu etwas ganz Besonderem, so das Büro. Rich McKay, Präsident und CEO der Atlanta Falcons, ergänzte: „Jede wichtige Designentscheidung basierte darauf, welche Auswirkung sie auf die Fans hat.“
Uns so begann HOK beim Entwerfen des Designs ganz oben: Mit dem Dach. Inspiration holte man sich dabei aus dem Pantheon in Rom. Die Dachöffnung wurde dem Oculus (griechisch Opaion), dem kreisrunden Loch in der Kuppel des antiken Bauwerks, nachempfunden.
Der Mechanismus wiederum erinnert an jenen eines Kameraobjektivs: Acht dreieckige „Blütenblätter“ von jeweils knapp 70 Metern Länge können per Knopfdruck aktiviert werden, um sich innerhalb von acht Minuten zu öffnen. Das Schließen des Dachs dauert überhaupt eine Minute kürzer.
Flügel des Lichts
Das Design der Dachkonstruktion setzt sich bei der Fassade fort: Auch hier sind Dreiecksformen allgegenwärtig. Diese, bestehend aus isolierten Metall- und ETFE (Ethylen-Tetrafluorethylen-Copolymer)-Paneelen, sollen an Falkenflügel erinnern, sagt HOK. Für ETFE habe man sich entschieden, weil das leichte Polymer neben Langlebigkeit und Widerstandsfähigkeit auch Lichtdurchlässigkeit als Eigenschaft mitbringt.
Gänzlich lichtdurchlässig ist nur die Westseite des Stadions. Hier wurde mit einer gläsernen Front ein 16-stöckiges Fenster geschaffen, das nicht nur für natürliches Licht im Inneren des Gebäudes sorgt, sondern darüber hinaus einen Panoramablick auf die Skyline von Atlanta bietet. Die Farbe der Fassade kann durch den Einsatz von Außenleuchten im Übrigen verändert werden – wie man es beispielsweise bereits von der Münchner Allianz Arena kennt.
Rundum-Blick
Herzstück des Stadion-Innenbereichs ist The Halo, ein 360°-HD-Screen, einer der weltweit größten seiner Art. Die ringförmige Anzeige bietet auf 18 mal 335 Metern (also rund 6.000 Quadratmetern Fläche) von überall einen ungetrübten Blick auf die jeweiligen Videoeinspielungen.
Will man das Geschehen allerdings nicht auf einem „normalen“ Platz miterleben, so hat man die Möglichkeit, sich in einen der Clubs mit insgesamt 7.500 Sitzplätzen zurückzuziehen oder eine der Dutzenden privaten Logen anzumieten. 2.000 TV-Bildschirme sorgen im Inneren des Mercedes-Benz Stadium dafür, dass man nichts von dem versäumt, was auf dem Spielfeld passiert.
Ausgezeichnet nachhaltig
Das U.S. Green Building Council (USGBC) verlieh dem Stadion die LEED-Platin-Bewertung, die höchste Zertifizierung für nachhaltiges Bauen. Das Mercedes-Benz Stadium war damit die erste US-Sportstätte mit dieser Auszeichnung.
Demnach setze man im gesamten Gebäude auf Stromspar-Maßnahmen, erneuerbare Energien, Regenwasser-Management sowie Wassereffizienz – wie hocheffiziente Sanitäranlagen, die den Wasserverbrauch um 40 % senken. Zudem nutze das Mercedes-Benz Stadium beispielsweise ausschließlich LED-Beleuchtung, so die Begründung.
Text: Michi Reichelt
Bilder: HOK