Vom Weingeist beseelt
Von den Weinbergen Norditaliens inspiriert, hat Architekt Peter Pichler die moderne Villa Kastelaz Hof inmitten der Reben gepflanzt. Und dabei seinen Heimvorteil gekonnt ausgespielt.
Es sind die jeweiligen Gegebenheiten, die Peter Pichler faszinieren. Egal, ob er in Abu Dhabi eine Luxusvilla für einen reichen Scheich und dessen Familie baut, in Kitzbühel exklusive Baumhäuser oder in Südtirol ein schmuckes Weingut. „Für uns ist es extrem wichtig, den Ort zu verstehen, an dem das jeweilige Objekt errichtet wird“, sagt der einstige Schüler von Zaha Hadid im Interview mit dem ubm magazin.
Heimspiel für Peter Pichler
„Allerdings“, so räumt er ein, „ist es für mich natürlich einfacher, die Welt in Österreich oder Italien zu verstehen, weil ich selbst aus Südtirol komme.“ Aber, so ist sich Pichler sicher, nur wenn man sich selbst ein Bild von der Welt in der gebaut wird gemacht hat, kann man ein Objekt auch in die jeweilige integrieren. Sonst würde es garantiert als Fremdkörper wahrgenommen werden, so der 38-Jährige.
Diese Gefahr besteht bei seinem gerade fertiggestellten Projekt, dem Kastelaz Hof, definitiv nicht. Schließlich bewegte sich Pichler in diesem Fall zur Gänze in seiner ihm bestens bekannten Heimat. Inmitten der Südtiroler Alpenlandschaft. Hier durfte er aus einem alten Weingut ein neues machen.
Der Kastelaz Hof als Spezialauftrag
Eine Herausforderung, ganz nach Pichlers Geschmack. Weshalb er wohl auch den dazugehörigen Wettbewerb für sich entscheiden hatte können. In diesem Fall musste man die Gegend nämlich wirklich wie seine Westentasche kennen, um eine ideale architektonische Lösung zu finden. Schließlich galt es besondere Wünsche der Bauherrn und gleichzeitig geografische Gegebenheiten unter einen Hut zu bringen.
Der Gardasee und seine Windspiele
Der Standort in der Region Termeno ist eingebettet in Bergtäler, Weinberge, einen Wald und den nahe gelegenen Kalterer See. Diese prachtvolle Umgebung sollte als Rahmen des neuen Heims besonders berücksichtigt werden. Zumal der Standort einen 360-Grad-Blick auf die Landschaft zulässt. Allein, der nahe Gardasee sorgte bei Pichler und seinem Team für Kopfzerbrechen. Die von seinen Ufern kommenden kräftigen Winde sollten das entspannte Leben im neuen Weingut schließlich möglichst nicht beeinträchtigen.
Also entschieden sich die Auftraggeber gemeinsam mit den kreativen Planern dazu, das alte Gehöft zur Gänze abzutragen. Um auf einem neuen Grundriss aufbauen zu können. Dieser entspricht nun der Form eines Hufeisens. Auf diese Weise liegen die Wohnbereiche und der Innenhof bestens geschützt, selbst vor kräftigen Stürmen aus der Gardaseeregion. Der Rundumblick bleibt trotzdem erhalten.
Die Glasfassade als optisches Trumpf-Ass
Um zusätzlich Schutz vor Wind und Wetter zu bieten, wurden in die wetterseitige Nordfassade nur wenige Fensteröffnungen integriert. Im Gegenzug dazu hat Peter Pichler die Südfassade jedoch fast vollständig verglast. So wird der Blick vom Eingang aus über die gesamte Länge des Wohnbereichs auf die dahinter liegende Aussicht gelenkt.
In der offiziellen Projektbeschreibung heißt es dazu: „Die breiten Glasfassaden sind so konzipiert, dass sie die Umgebung einrahmen und hervorheben. So kann die Landschaft in die Innenräume eindringen, während die Privatsphäre im Inneren gewahrt bleibt.“
Durch die Hufeisenform ergibt sich außerdem eine logische Aufteilung in drei Flügel. Diese werden jeweils unterschiedlich genutzt. Der Haupttrakt wurde erhöht angelegt, um im Wohnzimmer und der Küche größere Raumhöhen zu ermöglichen. Daraus ergibt sich eine Art Zwischengeschoss, das direkten Zugang zu einer Terrasse mit spektakulärem Blick über die Weinberge bis in die Ferne bietet.
Jeder Flügel hat seine Aufgabe
Die Schlafzimmer sowie eine Gästesuite und zwei Kinderzimmer wiederum befinden sich in den beiden anderen nach Süden ausgerichteten Flügeln. In seiner Gesamtheit bettet sich das 380 Quadratmeter große Gebäude sanft in die Hügel und ist vom nahen Dorf so gut wie nicht zu sehen.
Bei der Wahl der verwendeten Materialien konnte Peter Pichler eine seiner weiteren Stärken ausspielen. Die Leidenschaft für lokale Werkstoffe. So erinnert heute die weiße Betonarchitektur des Hauses an den Kalkstein, der im dortigen Weinbau seit jeher für Stützmauern in den Weinbergen genutzt wird.
Innen und außen minimalistisch
Der daraus resultierende minimalistische Look zieht sich weiter in die ebenfalls schlichten Innenräume. Hier integrierte der Star-Architekt allerdings raffinierte Holz- und Terrazzodetails, die die Handwerkskunst der Region aufgreifen. „Im Innen- und Außenbereich wurden lokale Materialien wie Beton und Holz verwendet. So soll eine einheitliche Architektur und eine warme, aber einfache und minimale Atmosphäre für die Familie geschaffen werden“, heißt es dazu offiziell.
Ein Kunstgriff gelang Pichler außerdem bei einem anderen Problem. Um die naturgemäß aufwändige Logistik des Weinguts elegant zu integrieren, wurde zuallererst eine 340 Quadratmeter große Garage tief in den Hang getrieben. Somit können sämtliche technische Gerätschaften, eine Waschküche und Autos unter dem schmucken Kastelaz Hof regelrecht versteckt werden.
Vom Keller zum Wein
Von dieser unterirdischen Welt führt dann allerdings eine großzügige Treppe hinauf zur sich weit öffnenden Eingangshalle. Und spätestens, wenn man diese betritt, hat man garantiert Lust auf das, wofür diese prachtvolle Region bekannt ist. Auf einen Schluck vom herrlichen Gewürztraminer.
Text: Johannes Stühlinger
Bilder: Peter Pichler Architecture